Streik an NRW-Unikliniken zu Ende - Verdi nimmt Einigung an

Mehr als elf Wochen dauerten die Streiks an den sechs
nordrhein-westfälischen Unikliniken - so lang wie noch nie. Jetzt
endlich haben sich die Parteien geeinigt.

Köln (dpa/lnw) - Der bisher längste Arbeitskampf im
nordrhein-westfälischen Gesundheitswesen ist zu Ende. Die
Verdi-Tarifkommission akzeptierte am Dienstag ein in der Nacht zuvor
mit den Arbeitgebern ausgehandeltes Eckpunktepapier, das schrittweise
vom 1. Januar 2023 an umgesetzt werden soll, wie Gewerkschaft und
Arbeitgeber mitteilten. Die Streiks werden ab Mittwoch beendet. Das
Eckpunktepapier sieht zahlreiche Verbesserungen der
Arbeitsbedingungen vor.

«Es ist vollbracht: Der erste Flächentarifvertrag für Entlastung an
Krankenhäusern in Deutschland ist durchgesetzt», sagte
Verdi-Landesfachbereichsleiterin Katharina Wesenick in Köln. Der
Tarifvertrag sei «ein wichtiger Etappensieg der Beschäftigten» und
«gegen die Profitlogik des Krankenhauswesens durchgesetzt» worden.
Für viele Beschäftigtengruppen außerhalb der Pflege seien bundesweit

erstmals Mindestbesetzungen und Belastungsausgleiche vereinbart
worden. Insbesondere was die Düsseldorfer Uniklinik betreffe, gebe es
aus Gewerkschaftssicht aber auch «Wermutstropfen».

Für die Arbeitgeber sagte der Ärztliche Direktor der Uni Münster,
Alex W. Friedrich, man sei überzeugt, «dass diese Einigung auf eine
spürbare Entlastung der Mitarbeitenden eine deutliche Zeitenwende
markiert, die die Zukunft nicht nur in der Pflege, sondern allgemein
in den Kliniken in Deutschland maßgeblich prägen wird». Zentrale
Punkte der Einigung seien ein besserer Personalschlüssel insbesondere
in patientennahen Berufsgruppen, eine schichtgenaue Belastungsmessung
durch freie Tage oder finanziellen Ausgleich und Entlastungstage bei
Unterschreiten der neuen Personalschlüssel.

Der Streik hatte mehr als elf Wochen gedauert. Die Gewerkschaft Verdi
wollte mit dem Arbeitskampf spürbare Verbesserungen insbesondere in
der chronisch unterbesetzten Pflege durchsetzen, aber auch in anderen
Klinikbereichen. Weit mehr als 10 000 Operationen mussten wegen
knapper Besetzung an den sechs Kliniken seit Anfang Mai verschoben
werden. Eine Vielzahl von Corona-Erkrankten verschärfte die Lage
zusätzlich.

Die Landesregierung begrüßte die Einigung. Wissenschaftsministerin
Ina Brandes (CDU) sagte, die Einigung bringe eine «spürbare
Entlastung für alle patientennahen Berufe an den sechs
Universitätskliniken». Es freue sie, dass die Landesregierung mit der
Änderung des Hochschulgesetzes die Weichen für die Vereinbarung habe
stellen können.

Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, die
letzten Wochen hätten den Beteiligten viel abverlangt - den
Beschäftigten, den Patientinnen und Patienten und den
Klinikleitungen. «Ich bin daher sehr froh, dass die Sozialpartner
eine Lösung im Tarifkonflikt gefunden haben. Es liegt nun ein gutes
Ergebnis auf dem Tisch, das zu besseren Arbeitsbedingungen führt und
nachhaltig entlastet.»

In einigen Teilen Deutschlands gibt es schon längst einen sogenannten
Tarifvertrag Entlastung (TV-E), der genaue Personalbemessungen für
einzelne Krankenhausbereiche regelt. In NRW begann der Arbeitskampf
mit einem 100-Tage-Ultimatum Anfang dieses Jahres an die Arbeitgeber.
Diese Frist ließen die Uniklinik-Chefs verstreichen, worauf sich der
Ton verschärfte. Für die Beschäftigten in der Pflege und den übrige
n
Bereichen des Klinikbetriebs war die Situation nach eigenem Bekunden
unerträglich geworden, weil die Betreuung und Versorgung der
Patientinnen und Patienten aufgrund des Personalmangels immer mehr
litt.

Lange weigerten sich die NRW-Unikliniken, an den Verhandlungstisch zu
kommen und Angebote vorzulegen. Zudem gab es rechtliche Hürden für
direkte Verhandlungen der Streit-Parteien. Weil die Tarifgemeinschaft
deutscher Länder (TdL) Verhandlungen ablehnte, musste der NRW-Landtag
den Weg freiräumen mit der Änderung des Hochschulgesetzes. Ende Juni
gelang dies mit den Stimmen der neuen schwarz-grünen Koalition sowie
der Fraktionen von SPD und AfD. Nun konnten die Unikliniken aus dem
Arbeitgeberverband der Länder (AdL), die Mitglied der TdL sind,
austreten und eigenständig Tarifverhandlungen führen. Zudem sagte
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) den Streikenden
öffentlich zu, dass das Land für eine Refinanzierung der nicht von
den Krankenkassen übernommenen Kosten an den Kliniken geradestehen
würde. Für alle Seiten war dies ein entscheidendes Signal.