Paderborn. Beim 11. Forum Kinderschutz der Ärztekammer Westfalen-Lippe stand die Frage "Digitale Medien - wie schützen wir unsere Kinder?" im Mittelpunkt. Fast 80 Pädagogen, Fachvertreter und Interessierte nahmen an der Veranstaltung am Samstag im Paderborner Rathaus teil.
"Die Dosis macht das Gift," stellte Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, fest. Das Internet sei ein Mittel, mit dem man lernen müsse umzugehen. Eltern seien in einer Vorbildfunktion. Man gehe von ca. 100.000 Kindern aus, die Internetsüchtig seien. Diese Kinder wiesen Entzugserscheinungen wie Aggression, Trauer und Ärger auf, wenn man die Nutzung des Internets verbiete. Langzeitstudien zu diesem Thema fehlten aber bisher noch.
Kompetenzen entwickeln
Der Frage, ob digitale Medien Kinder krank mache, ging Rainer Riedel, Facharzt für Nervenheilkunde und Direktor des Instituts für Medizinökonomie und Medizinische Versorgungsforschung der Rheinischen Fachhochschule Köln nach. "Die Nutzung der digitalen Medien in der analogen Welt brauchen wir", so Riedel. Um diese zu nutzen, müssten aber körperliche, geistige und seelische Kompetenzen entwickelt sein, die wiederum zunächst analog erlebt werden, wie etwa elterliche Zuwendung oder auch das Erlernen einer Sprache. Diese Fähigkeiten würden in den ersten drei Jahren entwickelt. Ein Kontakt in diesen ersten Jahren mit digitalen Medien sei nicht empfehlenswert.
Laut Erhebung des Deutschen Jugendinstituts von 2016 hätten bereits 11 Prozent der Einjährigen Erfahrungen mit Apps. "Das Kind muss kognitive und haptische Erfahrungen sammeln. Zum Bespiel wie sich nasser Sand anfühlt. Dieses können sie nicht auf einem Tablet nachstellen. Fehlen diese Erfahrungen, wirkt sich das auf die Entwicklung der Kreativität des Kindes aus", so Riedel. Ebenso gingen soziale Kompetenzen bei exzessiver Mediennutzung verloren.
Mediennutzung wird meist überschritten
2017 erschien die Studie "BLIKK-Medien - Bewältigung, Lernverhalten, Intelligenz und Krankheiten - Kinder und Jugendliche im Umgang mit elektronischen Medien", welche Riedel als Projektleiter mitentwickelte. Beteiligt waren 5.000 Kinder und 79 Kinderarztpraxen. Untersucht wurde, welche Auswirkungen Mediennutzungen etwa auf das motorische Verhalten, die Konzentration oder auch die Sprachentwicklung haben.
Ein Ergebnis der Studie sei, dass die empfohlene Mediennutzung für Drei- bis Sechsjährige von 30 Minuten pro Tag in den meisten Fällen überschritten wurde. Riedel verwies darauf, dass bei allen Digitalisierungsbemühungen von Schulen mit gedacht werden müsse, dass die Nutzungsempfehlung für Sechs- bis Neunjährige bei insgesamt 45 bis 60 Minuten pro Tag liege.