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Hamburg

Volksinitiative will Pflege in Kliniken verbessern

Organisatoren fordern mehr Personal und Investitionen vom Land. Doch die Erfolgschancen stehen schlecht – weil wohl der Bund zuständig ist

Mit einer Volksinitiative will ein Bündnis für mehr Pflegepersonal an Hamburger Krankenhäusern sorgen. Die Organisatoren haben die Volksabstimmung am Donnerstag im Rathaus angemeldet. Sie wollen die Hamburgische Bürgerschaft veranlassen, das Landes-Krankenhausgesetz zu überarbeiten. Dies soll zu einer besseren Personalsituation und zu mehr Investitionsmitteln führen.

Bis Ende März muss die Volksinitiative 10.000 Unterschriften sammeln, um zunächst ein Volksbegehren zu erzwingen. Danach könnte es zum Volksentscheid kommen. Doch die Chancen stehen schlecht – auch weil Hamburg für die Personalplanung nach Ansicht von Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) wohl nicht zuständig ist.

Die Situation auf den Stationen der Kliniken sei katastrophal, klagt das „Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“. Laut der Gewerkschaft Verdi, die dem Bündnis angehört, fehlen bundesweit 162.000 Vollzeitstellen in der Pflege, in Hamburg immerhin noch 4200. Eine Pflegekraft betreute im vergangenen Jahr durchschnittlich 13 Patienten – und damit etwa 2,5-mal so viele wie in den USA oder Norwegen. Hinzu kommt, dass sich die Pflege im Krankenhaus in den vergangenen 25 Jahren enorm verdichtet hat: Wie Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, stieg die Zahl der Behandlungsfälle von 1991 bis 2016 um ein Drittel. Im gleichen Zeitraum aber halbierte sich die Verweildauer. Für die Pflegekräfte bedeutete das mehr Arbeit, da ein Patient in den ersten Tagen seines Aufenthalts am betreuungsintensivsten ist.

Kirsten Rautenstrauch erlebt die Zustände täglich. Die Gesundheits- und Krankenpflegerin fasste die Zahlen am Donnerstag in einem Satz zusammen: „Die Pflegekräfte können nicht mehr.“ Die Betriebsrätin eines großen Krankenhauskonzerns berichtet von „dauerhaftem Personalmangel“, der die Pflegerinnen physisch und psychisch krank mache und für die Patienten „menschenunwürdige Bedingungen“ bedeute. Viele Pflegekräfte reduzierten ihre Arbeitszeit, weil sie eine Vollzeitstelle nicht aushielten, so Rautenstrauch: „Das verschärft den Pflegenotstand erneut.“

Deshalb fordert die Volksinitiative: Gesundheitsversorgung darf sich nicht am Profit orientieren. Dafür will sie das Landes-Krankenhausgesetz ändern. In der vom Bündnis vorgeschlagenen Version steht, dass die 1996 abgeschaffte Pflegepersonalregelung wieder eingeführt werden soll. Auf diese Weise könne nach Ansicht des Bündnisses der Bedarf an Pflegekräften in Hamburg gedeckt werden. Die Kosten, die dabei anfallen, schätzt Verdi auf 128 Millionen Euro. Zudem fordern die Initiatoren, dass Krankenhäuser die Pflegesätze nicht mehr für bauliche und technische Anschaffungen nutzen dürften. Damit das möglich ist und die Gelder nicht zweckentfremdet werden, soll laut der Volksinitiative Hamburg mehr Geld in die Krankenhäuser investieren. All das führe zu der dringend benötigten Entlastung im Pflegesektor und eine angemessene Bezahlung, so das Bündnis.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist vieles von den Forderungen bereits enthalten. Das gibt auch das Bündnis zu: „Wir wissen nur nicht, wann es umgesetzt wird“, sagt Bündnissprecher Christoph Kranich. Außerdem handele es sich im Koalitionsvertrag um „absolute Personaluntergrenzen“.

Über die Notwendigkeit, die Krankenhäuser mit Pflegepersonal besser auszustatten, ist sich auch Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks im Klaren. Doch sie sagt: „Die Volksinitiative geht den falschen Weg.“ Die Personalvorgaben für die Pflege müssten ebenso bundesweit geregelt werden wie die Finanzierung der Krankenhauskosten, erklärte Prüfer-Storcks: „Eine Volksinitiative für eine Hamburger Insellösung mit ungedeckten Kosten hilft nicht weiter. Entweder werden damit die Hamburger Krankenhäuser in die roten Zahlen geschickt, oder der Hamburger Steuerzahler muss bezahlen, was eigentlich Sache der Krankenkassen ist.“

Und womöglich kommt die Volksinitiative sogar zu spät – und könnte von einer bundesweiten Regelung überholt werden. Die Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der Krankenkassen müssen bis Mitte 2018 eine gute bundeseinheitliche und finanzierte Lösung vorlegen. Zudem hat Prüfer-Storcks, aber auch der Landeswahlleiter Zweifel, dass die Volksinitiative verfassungskonform ist: So greife das Gesetz in das Haushaltsrecht Hamburgs ein und widerspreche dem Kopplungsverbot, wonach in einer Volksinitiative nur ein Gegenstand zur Abstimmung stehen darf. Im vorliegenden Fall aber würden Personalmindestvorgaben und Krankenhausinvestitionen gefordert, teilte ein Behördensprecher mit. Der Wahlleiter merkte zudem noch fünf weitere Gründe an, an denen die Volksinitiative scheitern könnte.

Die Bedenken lassen die Initiatoren kalt. „Wenn uns der Senat vor das Bundesverfassungsgericht zieht, lassen wir es darauf ankommen“, sagte Sprecher Christoph Kranich. Die Anmeldung der Volksinitiative am Weltfrauentag war ihm zufolge jedenfalls kein Zufall: Die meisten Beschäftigten in der Pflege sind weiblich. „Frauen neigen besonders dazu, sich ausbeuten zu lassen“, sagt Krankenpflegerin Rautenstrauch. Sie will daher für ihre Kolleginnen kämpfen – und Unterschriften sammeln.

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