Bürger müssen sich auf höhere Pflegebeiträge einstellen Von Basil Wegener, dpa

Die Altenpflege ächzt unter dem Mangel an Personal. Die Koalition
verspricht Hilfe für die Heime. Doch schon die jüngsten
Pflegereformen treiben die Beiträge wohl spürbar in die Höhe.

Berlin (dpa) - Die Bundesbürger müssen sich auf höhere Pflegebeiträ
ge
einstellen - und zwar auf mindestens 0,2 Prozentpunkte mehr im
kommenden Jahr. Grund ist, dass die Pflegeversicherung immer mehr
Geld ausschüttet, auch wegen der Pflegereform der vergangenen
Wahlperiode. Die Pflegekassen erwarten bis Jahresende Mehrausgaben
von zwei Milliarden Euro und ein höheres Defizit von insgesamt drei
Milliarden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte dazu am
Donnerstag in Berlin: «Das wäre eine Beitragsanhebung mindestens
schon von 0,2 Beitragssatzpunkten, die notwendig ist.» Bei einem
Einkommen von 3000 Euro entspricht das 6 Euro mehr im Monat.

Der Beitragssatz liegt aktuell bei 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens,
bei Kinderlosen bei 2,8 Prozent. Bei Arbeitnehmern zahlt die Hälfte
des Beitrages der Arbeitgeber, aber ohne den Kinderlosenzuschlag.

Bei der in Aussicht stehenden Erhöhung sind Reformen, die Union und
SPD geplant haben, noch nicht eingepreist. Angesichts des großen
Mangels an Pflegekräften sollen tausende Stellen neu geschaffen
werden, eine konzertierte Aktion soll die Lage in der Altenpflege
durchgreifend verbessern. Spahn kündigte an, mit einem «Kassensturz»

binnen zwei, drei Wochen eine genauere Übersicht über die Entwicklung
der Finanzen bekommen zu wollen.

Seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 haben sich die Ausgaben
bis 2016 auf 29,71 Milliarden Euro nahezu versechsfacht, nicht
zuletzt wegen des Älterwerdens der Gesellschaft. Seither sind die
Zahl der Empfänger von Leistungen und deren Höhe noch einmal stark
gestiegen. Das auch deshalb, weil mit der Umstellung von drei
Pflegestufen auf fünf Pflegegrade Anfang 2017 deutlich mehr Menschen

Geld aus der Pflegekasse bekommen - vor allem Demenzkranke. Ende 2016
gab es noch 2,95 Millionen Pflegebedürftige mit entsprechenden
Leistungen, bis Ende 2018 rechnet der Kassen-Spitzenverband mit rund
3,46 Millionen Empfängern. «Die Pflegeversicherung boomt», sagte

Gernot Kiefer, Vorstand des Kassenverbands.

«Wir haben jetzt die schöne Situation, dass die Reformen sehr stark
greifen und wirken», sagte Spahn. «Das heißt andersherum auch: Wir

brauchen auch mehr Geld.» Aus heutiger Sicht wären das laut Spahn
mindestens 0,2 Beitragssatzpunkte, die spätestens im kommenden Jahr
zusätzlich benötigt würden. Die Pflegekassen haben eine Rücklage
 von
6,9 Milliarden Euro.

Die Kassen brachten alternativ zu höheren Beiträgen einen
Steuerzuschuss ins Gespräch. «Statt reflexhaft einen höheren
Beitragssatz als einzige Lösungsmöglichkeit anzukündigen, sollte auch

über die Einführung eines Bundeszuschusses zur Pflegeversicherung
nachgedacht werden», sagte Kiefer. 

Konkreter wurden die Pläne für Hilfe für die Heime. Spahn will mit

einem Sofortprogramm mindestens 13 000 Stellen zusätzlich
schaffen. «Jede vollstationäre Altenpflegeeinrichtung soll im Rahmen

des Sofortprogramms profitieren», zitiert das Redaktionsnetzwerk
Deutschland (RND/Freitag) einen «Maßnahmenkatalog» des Ministers.

Heime mit bis zu 40 Bewohnern sollten im Schnitt eine halbe Stelle
zusätzlich erhalten, bei 41 bis 80 Einwohnern eine volle Stelle, in
größeren Heimen 1,5 Stellen. Das benötigte Geld solle allerdings au
s
der gesetzlichen Kranken-, nicht der Pflegeversicherung kommen.

Der neue Pflegebeauftragte der Regierung, Andreas Westerfellhaus,
schlug Prämien für Pflegefachkräfte in Heimen und Kliniken vor, die
in ihren Beruf zurückkehren oder bei Teilzeit ihre Arbeitszeit
spürbar erhöhen. «Sie sollen einmalig bis zu 5000 Euro steuerfrei
erhalten. Pflegefachkräfte, die direkt nach ihrer Ausbildung in eine
Festanstellung gehen, sollen eine Prämie von 3000 Euro erhalten»,
sagte Westerfellhaus der «Rheinischen Post». Kostenpunkt für
Westerfellhaus' Vorschläge insgesamt: zunächst rund 570 Millionen
Euro und rund 345 Millionen Euro in den Folgejahren. Auch
die «Stuttgarter Zeitung», «Stuttgarter Nachrichten» (Donnerstag)
und
die Deutschen Presse-Agentur erfuhren von den Plänen.

Spahn sagte: «Das ist ein Vorschlag (.), den wir einbringen werden in
die weitere Beratung.» Zu den neuen Finanzprognosen meinte er, dies
zeige, «dass die Aussage, dass wir bereit sein müssen, mehr für die
Pflege auszugeben, dann auch konkret wird».