Der scheidende Feuerwehrchef Klaus Maurer über den Einsatz der Zukunft: „Wir brauchen Schutzwesten und Drohnen“

Feuerwehrchef Klaus Maurer (59) packt schon mal die Sachen in seinem Büro

Feuerwehrchef Klaus Maurer (59) packt schon mal die Sachen in seinem Büro

Foto: Stefan Hesse
Von: THOMAS KNOOP

St. Georg – Zwölf Jahre war er Hamburgs Feuerwehrchef. An seinem 60. Geburtstag am 30. September geht Klaus Maurer nun in Ruhestand.

In BILD spricht der Oberbranddirektor über seine größten Einsätze, den Kampf mit der Politik und den Einsatz der Zukunft.

BILD: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer persönlichen Bilanz?

Klaus Maurer: „Die Hamburger Feuerwehr ist gut aufgestellt. Wir sind in den letzten Jahren von 2600 auf 3100 Mitarbeiter gewachsen. Und es kommen noch einmal 228 Kräfte dazu. Wir werden dann auch eine Bereitschafts-Feuerwehr gründen, um Ausfälle an den Wachen zu kompensieren.“

BILD: Welche Aufgaben warten auf Ihren Nachfolger Christian Schwarz (49), der zuvor Chef der Feuerwehrschule in Bayern war?

Maurer: „Das größte Projekt ist sicher die neue Leitstelle, die 2022 stehen muss. Da ist großer Zeitdruck, da der Technik-Support ausläuft. Weitere große Aufgabe wird die Digitalisierung sein. Der Bürger fragt sich doch, warum wir in der Leitstelle keine Fotos empfangen können. Auch Drohnen werden Thema sein.“

Maurer zieht im Gespräch mit BILD Bilanz

Maurer zieht im Gespräch mit BILD Bilanz

Foto: Stefan Hesse

BILD: Was qualifiziert einen zum Feuerwehrchef?

Maurer: „Vor allem: Freude an Menschen, an vielen Mitarbeitern, aber auch an den Menschen für die wir da sind. Sie brauchen aber auch technisches Verständnis und müssen auch mal was abkönnen: gesundes Selbstvertrauen und Robustheit wären gut. Was ich mir von den Kollegen in Leitungsfunktionen immer wünsche: neben der Begeisterung auch immer eine gewisse Distanz, den Blick von außen. Den braucht man auch als Manager eines großen Betriebes. Die Kernschlüsselqualifikation ist: Man muss im Einsatz auch entscheiden können. Einer muss sagen, ok verstanden, links rum. Ist man der Motor an der Einsatzstelle oder ist man von Sorgen, Bedenken und Angst geprägt, dann hat man da nichts zu suchen."

BILD: Was waren Ihre größten Einsätze?

Maurer: „2012 der Kautschukbrand in der Nartenstraße in Harburg und die Brände auf Containerschiffen 2013 und 2016 im Hafen. Eines hatte Raketenbrennstoff und radioaktives Uranhexafluorid geladen. Das waren schon große Herausforderungen. In der Situation spürt man auch physisch die Last der Verantwortung. Wenn es gut geht, dann ist es ok. Wenn es nicht gut geht, hat man 500 oder 600 Millionen Euro Schaden. Da muss man Chef sein und sagen: Ok, Jungs, ihr habt zwar die Einsatzleitung, aber das trage ich jetzt hier.“

BILD: Bei den Schiffsbränden hatte die Feuerwehr viel zu kleine Boote...

Maurer: „Es gab leider Phasen, wo die Notwendigkeit neuer Boote politisch abgestritten wurde. Wenn man aus der tiefsten Überzeugung weiß, dass ist doch notwendig. Und ein guter Hafen ist nur ein sicherer Hafen. Das waren dicke Bretter, die da zu bohren waren. Da zweifelt man schon mal an sich selber. Liegt es daran, weil man es nicht ordentlich erklären kann oder warum klemmt es am Ende. Da lehrt die Erfahrung: man darf es nicht persönlich nehmen. Und am Ende kann ich nur sagen: die neuen Löschboote werden besser als ich sie mir je vorgestellt habe, das ist schon Königsklasse.

BILD: Die Feuerwehr hat Probleme, wenn sie neue Wachen bauen will.

Maurer: „Es ist schon ein bisschen schizophren. Jeder erwartet schnelle Hilfe. Aber bitte keine Feuerwehrstation direkt vor der Haustür...“

BILD: Retter klagen auch über Angriffe...

Maurer: „Wir kennen nur die Spitze des Eisberges. Im Schnitt gibt es pro Jahr 60 bis 80 Angriffe, die auch zur Anzeige gebracht werden. Das reicht vom gebrochenen Nasenbein bis hin zum Anspucken. Früher war immer klar: Der Rettungswagen ist der neutrale Dritte. Heute bin ich für den Staat oder dagegen. Wenn ich dagegen bin, bin ich gegen alles, was der Staat bringt. Ich glaube aber dennoch, der Rettungsdienst braucht keine Schutzweste. Für uns kann nur der Rückzug das Richtige sein und dann warten, bis die Polizei kommt.“

Einer seiner größten Einsätze: ein Großbrand 2012 an der Nartenstraße in Harburg

Einer seiner größten Einsätze: ein Großbrand 2012 an der Nartenstraße in Harburg

Foto: Knoop, Thomas

BILD: Dennoch soll die Feuerwehr Schutzwesten bekommen.

Maurer: „Richtig. Da geht es aber um terroristische Einsätze. Wir haben eben nicht mehr einen begrenzten Gefahrenbereich. Viele Aktionen finden in der Bewegung statt. Sie wissen nicht mehr, welche Straßenecke ist sicher und welche nicht, wenn Leute durch die Gegend rennen und schießen. Für solche Einsätze müssen wir uns schützen. Momentan sind wir da noch im Fall der Fälle auf die Ausrüstung der Polizei angewiesen.“

Ihr Rückblick auf G20?

Maurer: „Ich ziehe eine positive Bilanz für unseren Beitrag. G20 hat die Feuerwehr nach vorne gebracht. Wir haben erheblich investiert, Konzepte aktualisiert, viel geübt, die Leitstelle um zehn Plätze erweitert, auch an den Wachen gab es Verbesserungen. Ich bin superfroh und dankbar, dass wir keine Verletzten bei der Feuerwehr und ganz wenig Sachschäden hatten, obwohl wir zum Teil mittendrin unterwegs waren.“

Thema: Sicherung der Feuerwehr-Wachen Maurer: „Das ist ein Thema. In Teilen sind die Wachen fürchterlich offen. Der Schutz der eigenen Einrichtung muss verbessert werden. Es wird der elektronische Dienstausweis kommen. Doch da ist noch Luft nach oben.“

BILD: Wird für die freiwillige Feuerwehr genug getan?

Maurer: „Wir haben eine große Berufsfeuer mit mehr als 3000 Rettern. Wir haben 2600 freiwillige Feuerwehrleute. Die Stadt braucht beides. Sie braucht auch eine starke freiwillige Feuerwehr – ohne könnten wir es nicht. Ich kann jedes Jahr ein paar Tage nennen, wo auch nahezu die gesamte freiwillige Feuerwehr rollt, allein bei den großen Stürmen. Bei den Wehrhäusern haben wir erhebliches Nachholpotenzial. Wir haben bestimmt noch bis zu 15 Wachen neu zu bauen. Das sind Gebäude aus den 20er und 30er Jahren. Da passt kein neues Löschfahrzeug rein, geschweige denn zwei. Auch für die Sozialräume kann ich keinen begeistern. Da haben wir einen Plan, das wird in den nächsten fünf Jahren gelöst.“

BILD: Wie sieht Ihr Leben nach der Feuerwehr aus?

Maurer: „Ich komme von einer 70-Stunden-Woche. Das wird schon eine Umstellung. Seit einigen Monaten habe ich bereits den Vorsitz eines Freundeskreises im kirchlichen Raum. Weiter habe ich mit meiner Frau ein gemeinsames Hobby: das ist 90 Tonnen schwer, ein historischer Hafenschlepper der Stiftung Hamburg-Maritim. Da muss ich noch sehen, dass ich das Kapitäns-Patent schaffe, das ich dann auch selber fahren darf. Die größte Veränderung für mich ist, dass ich Dinge nun zeitlich selbstbestimmt machen kann. Ich werde in nächster Zeit bewusst auf Feuerwehr verzichten, nicht weil ich damit breche, ganz im Gegenteil: ich hatte immer das Glück, egal wo ich hinkam, nicht von alternden Branddirektoren beglückt zu werden. Wenn mal das berühmte Jahr durch ist, würde ich mich sehr freuen, wenn ich mal wieder zu einer Feuerwehr-Veranstaltung eingeladen werde.“

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