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Hamburg Bezahlung, Arbeitszeiten, Image

So kämpft Hamburg gegen den Pflegenotstand

Ein Bündnis zwischen Stadt und verschiedenen Arbeitgebern soll in Hamburg dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern Ein Bündnis zwischen Stadt und verschiedenen Arbeitgebern soll in Hamburg dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern
Ein Bündnis zwischen Stadt und verschiedenen Arbeitgebern soll in Hamburg dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern
Quelle: pa/dpa/Daniel Reinhardt
Hamburg schmiedet mit verschiedenen Arbeitgebern eine „Allianz der Pflege“. Gehälter, Arbeitszeiten und Mitarbeiterzahlen werden künftig veröffentlicht. Doch wer trägt die entstehenden Kosten?

Mindestens tarifliche Bezahlung, verlässliche Arbeitszeiten, bessere Aufstiegschancen durch Weiterbildung und ein Comeback der Schwesternwohnheime: Nach Informationen von WELT AM SONNTAG hat die Stadt ein breites Bündnis mit verschiedenen Arbeitgebern in der Pflege geschmiedet, das sich auf bestimmte Standards geeinigt hat und diese in einem neuen Arbeitgeberportal öffentlich machen will.

Die sogenannte Allianz der Pflege soll dazu beitragen, dass sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern und somit weniger Pflegekräfte ihre Arbeitszeit verkürzen oder sogar ganz aus dem Beruf ausscheiden. Laut der Hamburger Gesundheitsbehörde sollen zunächst die größten Arbeitergeber der Stadt die Selbstverpflichtung unterzeichnen, anschließend sei das Bündnis offen für alle Einrichtungen. In den kommenden Wochen soll die Allianz offiziell im Rathaus unterzeichnet und vorgestellt werden.

Dazu verpflichten sich die Arbeitgeber

Die Allianz der Pflege ist ein wichtiger Teil der Hamburger Pflege-Offensive. Neben dem „Aktionstag Pflege“, der in Schulen stattfindet und Jugendliche für den Pflegeberuf begeistern soll, sowie einer Imagekampagne im Spätsommer richtet sich dieser Impuls an die Beschäftigten selbst. „Wenn alle, die in der Pflege ausgebildet wurden, noch im Beruf wären, hätten wir gar kein Problem“, sagte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks.

Entscheidend für das Ausscheiden seien fast immer die Arbeitsbedingungen, so die SPD-Politikerin: „Viele empfinden sie als zu belastend, auch wegen nicht planbarer, freier Wochenenden und Schichtarbeit. Durch die Reduzierung der Arbeitszeit setzen sich die Pflegekräfte auch ein Stück weit zur Wehr. Doch das ist kostbare Pflegezeit, die uns verloren geht.“

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Die Selbstverpflichtung geht deshalb über die Bezahlung – mindestens auf Tarifniveau – hinaus. Wer als Arbeitgeber bei der Allianz dabei sein möchte, muss die Arbeitszeiten planbar und verlässlich gestalten sowie die Pflegekräfte so einsetzen, dass sie ihrer Ausbildung entsprechend tätig sein können. Auch die Personaluntergrenzen in der Krankenpflege müssen mindestens eingehalten, „besser aber übertroffen werden“, so Prüfer-Storcks.

In der Altenpflege sei ein Personalbemessungssystem derzeit in Arbeit. Zudem haben sich die Arbeitgeber mit der Stadt darauf verständigt, die Zahl der Ausbildungsplätze weiter zu steigern und Beschäftigten mehr Möglichkeiten zur berufsbegleitenden Fort- und Weiterbildung anzubieten, um Aufstiegschancen im Pflegeberuf zu verbessern. Dazu zählt auch die Qualifizierung ausländischer Pflegekräfte, die entweder in ihren Heimatländern in der Pflege gearbeitet haben oder sich für den Beruf interessieren.

Anreize für bessere Arbeitsbedingungen

Die Ausbildungsbetriebe sollen sich in Zukunft durch die Allianz noch besser vernetzen. „Jeder Platz, der von der Krankenkasse bezahlt wird, soll auch besetzt sein“, forderte die Gesundheitssenatorin. Zuletzt fehlte es an einem Austausch zwischen den Einrichtungen, sodass Ausbildungsplätze frei blieben.

Gleichzeitig verpflichteten sich die Einrichtungen, Unterkünfte für ihre Azubis zu schaffen. So sei an manchen Standorten auch die Wiederbelebung des Schwesternwohnheims in Planung, sagte Prüfer-Storcks. Wie die Arbeitgeber diese Standards umsetzen, müssen sie der Behörde melden. Die wiederum stellt die Daten ins Internet – auf das neue Arbeitgeberportal Pflege. „Wir wollen durch die Transparenz Vergleichsmöglichkeiten und Anreize für beste Arbeitsbedingungen schaffen.“

Die Plattform soll auch gesellschaftlich Transparenz herstellen. „Das Image der Pflege ist schlechter als die Bedingungen“, sagt Prüfer-Storcks und berichtet von ihrem Gespräch mit einem Taxifahrer auf dem Weg zu einem Pflegekongress: „Er hat mir sofort zugestimmt, dass Pflegekräfte mehr verdienen müssen. Als ich ihm dann aber sagte, dass in der Altenpflege 2800 Euro und im Krankenhaus 3300 Euro gezahlt werden, war er sehr erstaunt, weil er mit viel weniger gerechnet hätte.“ Natürlich müsse trotzdem mehr bezahlt werden, besonders in der Altenpflege, aber es sei eben nicht so schlecht, wie viele glauben, so die Senatorin.

Eine Frage der Würde

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Die geplante bessere Personalausstattung sowie die angestrebten Gehälter verursachen höhere Kosten im Gesundheitssystem. Nur wer soll die tragen? „Die Pflegeversicherung“, plädiert Prüfer-Storcks, die die rot-grün-regierten Bundesländern koordiniert. Am kommenden Freitag soll darüber in der Bundesratssitzung abgestimmt werden.

Schon heute zahlen Pflegebedürftige neben der Unterbringung, Verpflegung und Investitionskosten auch einen Eigenanteil an den Pflegekosten. Im Bundesschnitt sind das 620 Euro, in Hamburg 760 Euro. „Es darf nicht sein, dass der Anteil weiter steigt. Das würde er aber, wenn wir alles umsetzen, was wir uns für mehr und besser bezahlte Pflegekräfte vorgenommen haben – wahrscheinlich um mehrere Hundert Euro.“ Ginge es nach ihr, würde der Eigenanteil gedeckelt und die Pflegeversicherung bekäme einen Steuerzuschuss.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht das anders. Er will den Vorschlag der SPD nicht umsetzen, sondern das Pflegerisiko weiter privatisieren, indem der Eigenanteil über eine private Zusatzpflegeversicherung abgesichert wird. „Für mich“, sagt Prüfer-Storcks, „ist es eine Frage der Würde, dass jemand am Ende seines Lebens nicht noch zum Sozialhilfeempfänger wird, nur weil er pflegebedürftig wird.“

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