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  4. Söder-Vorstoß zu Corona-Schnelltests: Scharfe Kritik aus Bundestag

Deutschland Corona-Schnelltests

„Indirekte Impfpflicht, von der sich Wohlhabende auch noch freikaufen können“

Merkel und Spahn gegen Impfpflicht in Deutschland

Bundeskanzlerin Merkel und Gesundheitsminister Spahn haben sich gegen eine Impfpflicht in Deutschland ausgesprochen. Spahn spricht allerdings von einem Impfgebot. Die Bundesländer wollen die Impfbereitschaft mit unterschiedlichen Ansätzen steigern.

Quelle: WELT/ Alina Quast

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Wer sich nicht impfen lässt, soll für einen Schnelltest zahlen, schlägt CSU-Chef Söder vor – und erntet scharfen Widerspruch. Dabei ist das „Kostenlos-Versprechen“ ohnehin falsch: Die Tests werden durch Steuergeld finanziert – fragt sich nur, wie lange noch.

Markus Söder gefällt sich gut in der Rolle des Vorpreschers. Ob Masken, Impfen oder Einschränkungen: Immer wieder sieht sich der bayerische Ministerpräsident als derjenige, der im Pandemie-Krisenmanagement zeigt, wo es lang gehen soll – später folgen ihm dann oft andere Landesregierungschefs. Diese Taktik zeigt sich aktuell erneut: In einem ZDF-Interview stellte er kostenlose Corona-Tests für Nichtgeimpfte infrage. „Es ist eine Frage der Fairness“, so der CSU-Chef.

Damit befeuert Söder eine neue Debatte um die Tests: Da nun ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehe, stelle sich die Frage, wieso die Steuerzahler künftig noch die Kosten für diejenigen übernehmen sollten, die sich nicht impfen lassen wollen. Aktuell ist die Kostenübernahme bis September garantiert. Für die Zeit danach gibt es noch keine Beschlüsse.

Söders Vorstoß lehnt die Unionsfraktion im Bundestag allerdings ab. Die Tests „sind und bleiben ein essenzieller Bestandteil unserer Pandemie-Bekämpfungsstrategie“, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich WELT. Es sollten „keine Hürden aufgebaut werden“, durch die Menschen von einer Testung abgehalten werden könnten. Nach Ansicht Hennrichs trügen „niedrigschwellige Testmöglichkeiten“ zum Schutz auch derer bei, die sich noch nicht impfen lassen konnten.

Zudem, so Hennrich, sei „insbesondere vor dem Hintergrund von bestimmten Virusvarianten aktuell noch nicht auszuschließen, dass sich auch vollständig geimpfte Personen anstecken können. Auch um diese Infektionen zügig zu erkennen, könnten solche Tests bei diesen Personen in bestimmten Fällen, etwa bei Symptomen, ratsam sein.“

Ganz anders sieht es die FDP: „Selbstverständlich ist es unsinnig, kostenlose Tests auf unbestimmte Zeit fortzusetzen“, sagte die Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus. „Sobald allen Impfwilligen ein Impfangebot gemacht worden ist, sind kostenpflichte Tests für Bürgerinnen und Bürger, die sich impfen lassen können, sinnvoll.“ Auszunehmen seien dabei Schwerkranke und Kinder.

Das Angebot wird bereits kleiner

Die Tests verursachen hohe Kosten. Bis Ende Juni gab es pro Abstrich insgesamt 18 Euro für die Betreiber der Stationen. Nach dem Skandal um dreiste Betrugsmaschen einiger Firmen stufte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf 12,50 Euro herunter.

In der Anfangsphase mussten Testzentren keinerlei Nachweise über die Anzahl der eingekauften und durchgeführten Tests vorweisen – einige meldeten daraufhin viel zu hohe Zahlen zur Abrechnung. Die Opposition warf Spahn eine „Einladung zum Betrug“ vor. Mittlerweile kontrollieren die Behörden verschärft.

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Zudem ist das Prädikat „kostenlos“ irreführend: Die Abrechnung erfolgt über die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung, die das Geld vom Bundesgesundheitsministerium bekommt – schlussendlich werden die Tests also aus Steuergeld finanziert.

Und dabei fallen beachtliche Summen an – das zeigen beispielsweise Statistiken des Berliner Senats: Wurden im März 1,3 Millionen Euro an die Betreiber in der Hauptstadt ausgezahlt, waren es im April schon 25 Millionen Euro und im Monat Mai, in dem rund 1500 Zentren in der Stadt gemeldet waren, gar 65 Millionen Euro. Pro Zentrum ergibt sich demnach ein Durchschnittswert von 43.000 Euro im Mai.

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Auch die aktuell geltenden 12,50 Euro pro Test scheinen noch lukrativ – zumindest bei hoher Auslastung. Allerdings machen immer mehr Zentren dicht, das Angebot wird demnach deutlich kleiner. Die Gründe: Betrügereien sind aufgeflogen, die Vergütungen sind nicht mehr ganz so attraktiv, es finden Kontrollen statt, und die Nachfrage ist durch die höhere Impfquote und die gelockerte Testpflicht eingebrochen.

SPD will die bisherige Praxis aufrechterhalten

Seit einigen Wochen werden nun Anreize debattiert, wie Zentren am Leben gehalten werden können: Der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) sagte vor rund zwei Wochen der „Freien Presse“, notfalls werde man finanziell unterstützen – und stellte einen „niedrigen fünfstelligen Betrag“ pro Zentrum in Aussicht.

Thomas Preis warnt vor einem vorschnellen Ende der Kostenübernahme. „Es wird sehr schwierig sein, in den Teststellen zu entscheiden, wer anspruchsberechtigt ist und wer nicht“, so der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein. Folge der nötigen Dokumentation sei eine weitere Bürokratisierung. „Das ganze kann zu einer weiteren Ausdünnung der Teststellen führen.“

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Die SPD fordert, weiterhin an der bisherigen Praxis festzuhalten. „Wir sollten dieses Angebot aufrechterhalten, solange es notwendig ist“, sagte SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas. Sowohl die Impfungen als auch die Tests dienten „nicht nur dem individuellen Schutz“. Vielmehr könnten dadurch auch Infektionen vermieden und somit gerade diejenigen geschützt werden, „die sich selbst nicht impfen lassen können“.

Kritik an Söders Vorstoß kommt aus der Linksfraktion. Deren gesundheitspolitischer Sprecher Achim Kessler sagte WELT: „Impfverweigerer zu Übernahme der Kosten ihrer Tests zu zwingen, um an bestimmten Aktivitäten teilnehmen zu können, ist nichts anderes als eine indirekte Impfpflicht, von der sich Wohlhabende auch noch freikaufen können.“ Die Bundesregierung habe es „wieder einmal verschlafen, rechtzeitig mit einer intensiven Informationskampagne für die Impfung zu werben“.

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Die AfD-Fraktion hingegen fordert, viel weniger Tests durchzuführen – nämlich nur bei Menschen mit typischen Symptomen –, dann aber die Kosten zu erstatten. „Personen mit Symptomen, die sich testen sollten beziehungsweise dies wollen, sind aus unserer Sicht wie Patienten zu betrachten, die sich untersuchen lassen. Somit ist das eine Leistung, die die Krankenkassen übernehmen sollten“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher Detlev Spangenberg. Bei Menschen ohne Symptome seien Tests „nicht zielführend beziehungsweise nicht notwendig“.

Noch unentschlossen hingegen scheint Gesundheitsminister Spahn zu sein. Auf die Frage, ob die Tests künftig kostenpflichtig sein sollen, sagte er am Dienstag: „In einer späteren Phase können wir darüber nachdenken. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich das noch nicht.“

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