Testabrechnungsbetrug: Patientenschützer und Opposition wollen Lösung

Noch ist es ein Verdacht. Aber wenn Betreiber von Testzentren sich
tatsächlich an Corona-Tests bereichert haben sollten, muss die
Kontrolllücke schnell geschlossen werden. Eine Baumarkt-Gruppe, die
Flächen zur Verfügung gestellt hat, zieht bereits Konsequenzen.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Im Verdachtsfall um möglichen
Abrechnungsbetrug bei Corona-Bürgertests fordern Patientenschützer
und die Opposition in Nordrhein-Westfalen konkrete Konsequenzen. Die
SPD will unter anderem wissen, ob und wie die Abrechnungen der
Testzentren im Land kontrolliert werden, wie hoch der mutmaßliche
finanzielle Schaden ist und welche Testzentren betroffen sind. Die
Grünen hinterfragen die Kontroll- und Vorbeugungsmechanismen.

Die Fraktionen möchte dazu in der kommenden Woche Antworten im
Gesundheitsausschuss des Düsseldorfer Landtags. SPD-Fraktionschef
Thomas Kutschaty sagte der «WAZ», er erwarte, dass die
Landesregierung für Aufklärung sorge, das Steuergeld zurück hole und

möglichem Missbrauch einen Riegel vorschiebe.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte am Montag noch keine neuen
Erkenntnisse. «Es ist ein Anfangsverdacht, dem wir nachgehen», sagte
Oberstaatsanwältin Cornelia Kötter der Deutschen Presse-Agentur in
Düsseldorf. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits in der vergangenen
Woche bestätigt, dass sie Ermittlungen gegen zwei Verantwortliche
eines in Bochum ansässigen Unternehmens eingeleitet hat. Wegen der
Unschuldsvermutung während laufender Ermittlungsverfahren nennt die
Behörde den Namen des Unternehmens nicht.

Am Freitag waren in dem Zusammenhang Geschäftsräume und
Privatwohnungen im Ruhrgebiet durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt
worden. «Nähere Auskünfte können im Hinblick auf die laufenden
Ermittlungen derzeit nicht erteilt werden», sagte Kötter.

Die Hellweg-Baumärkte, die dem verdächtigten Bochumer Unternehmen
kostenlos Parkplatzflächen für deren Testzentren zur Verfügung
gestellt haben, ziehen bereits Konsequenzen: Das Unternehmen sei
aufgefordert worden, seine 23 Test-Zelte sofort abzubauen, teilte
eine Hellweg-Sprecherin auf dpa-Anfrage mit.

Tom Fasshauer, Kölner Gründer der Medicare-Testzentren, die
inzwischen fast 200 Standorte bundesweit haben, sagte im Interview
mit WDR 2: «Wir haben natürlich von Anfang an gedacht, dass es zu
Missbrauch kommen könnte, so wie das Ganze gemeldet werden muss.»
Nachdem die Regierung schnell und unbürokratisch habe handeln müssen,
seien Probleme absehbar gewesen. «Die Übermittlung ist derzeit sehr
einfach und deswegen kann man da, wenn man möchte, auch betrügen.»

Das Landeskriminalamt (LKA) bilanzierte, Betrugsdelikte in
Zusammenhang mit Testzetren spielten in NRW bislang eine
untergeordnete Rolle. «Dem LKA NRW sind seit dem 01.01.2020 nur
wenige Vorgänge bekannt geworden, in denen Betreiber von Testzentren
mit der Absicht des Abrechnungsbetrugs falsche Daten an
Gesundheitsehörden übermittelt haben sollen», teilte ein Sprecher der

dpa mit.

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern planen unterdessen
schärfere Vorgaben. Dazu sind Neuregelungen in der Testverordnung
vorgesehen, wie das Bundesgesundheitsministerium am Montag nach
Beratungen mit den Ressortchefs der Länder mitteilte.

Mit den kommunalen Spitzenverbänden soll nun beraten werden, wie
Betrug weiter erschwert werden kann. Ansatzpunkte sollen demnach etwa
sein, dass Sachkosten zur Zahl der Testkits von den Kassenärztlichen
Vereinigungen mit den abgerechneten Tests abgeglichen werden. Die
Teststellen könnten den Kassenärztlichen Vereinigungen ihre
Steuer-Identifikationsnummer angeben müssen, damit Finanzämter
abgerechnete Tests mit angegebenen Umsätzen abgleichen können.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte am Wochenende
erklärt: «Die Justiz wird in solchen Fällen ermitteln und bei
Bestätigung von Betrug müssen solche Testzentren aus dem Verkehr
gezogen werden.» Die Zuständigkeit dafür läge nach Angaben des
Ministeriums bei den Kommunen. Am Abrechnungsverfahren seien wiederum
weder die Kommunen noch das Land beteiligt. Ein möglicher Betrug
ginge hier zulasten der Kassenärztlichen Vereinigung (KV).

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte Laumann auf,
Qualitätsprüfungen bei Corona-Teststellen anzuordnen. Solche Tests
müssten anlassunabhängig durchgeführt werden, sagte Vorstand Eugen
Brysch am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. «Die
Güte der Testung ist viel entscheidender als die Frage, ob Betrug im
Spiel ist.»

Auf Nachfrage teilten einige Kommunen mit, Teststellen privater
Anbieter zumindest nach infektionshygienischen Gesichtspunkten zu
kontrollieren. So berichte ein Stadtsprecher aus Köln, bei der
Begehung von 60 der 360 privaten Teststellen seien nur wenige
«schwarze Schafe» mit schwerwiegenden Mängeln festgestellt worden.
Vier Teststellen seien wegen Hygienemängeln geschlossen worden, die
meisten festgestellten Mängel könnten jedoch schnell behoben werden.
«Zu den häufigsten Mängeln gehören Nichteinhaltung der Hygiene- ode
r
Personal-Standards, fehlende Schutzausrüstung und zu wenig Sorgfalt
bei der Abstrich-Entnahme», hieß es weiter.

Auch in Essen gibt es den Angaben einer Sprecherin zufolge solche
Hygienekontrollen nach Beschwerden. In die Abrechnung mit den
kassenärztlichen Vereinigungen sei man als Stadt jedoch nicht
involviert. Dies müsse «dringend geklärt und in der
Corona-Testverordnung verankert werden», hieß es aus Essen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht bei der Kontrolle
von Corona-Teststellen vor allem die Gesundheitsämter in der Pflicht.
Wenn die Kommune vor Ort keine freien Kapazitäten habe, dann solle
sie auch keine Einrichtungen damit beauftragen, die sie noch nicht
genau angeschaut habe. «Der Bund setzt den Rahmen, der Bund gibt die
Regeln vor, der Bund übernimmt die Kosten, aber der Bund kann nicht
die Teststellen vor Ort kontrollieren», sagte Spahn am Montag im
Deutschlandfunk.

Gesundheitsämter sind vor Ort für die Beauftragung der Test-Anbieter
zuständig, bei der Abrechnung sind die Kassenärztlichen Vereinigungen
beteiligt. Anfang März hatte der Bund kostenlose Bürgertests möglich

gemacht. Mehr als 15 000 Teststellen sind laut Spahn bundesweit
entstanden. Laut einer Tabelle des Bundesamts für Soziale Sicherung
wurden bislang allein in den Bezirken der Kassenärztlichen
Vereinigungen in NRW (Stand: 17. Mai) rund 483,5 Millionen von
bundesweit rund 1,7 Milliarden Euro für Corona-Tests gezahlt.