NRW lässt Einsatz von Medikamenten an Heimkindern erforschen

Düsseldorf (dpa/lnw) - Die nordrhein-westfälische Landesregierung
lässt missbräuchlichen Einsatz von Arzneimitteln an Heimkindern
erforschen. Bis zum 15. Juni werde der Zuschlag für eine derzeit
laufende Ausschreibung erteilt, teilte das Gesundheitsministerium auf
Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf mit.

Untersucht werden soll «missbräuchlicher Einsatz von Medikamenten an
Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Kinder- und
Jugendhilfe, der stationären Behindertenhilfe und Psychiatrie sowie
im Rahmen der Kinderverschickung seit Gründung des Landes
Nordrhein-Westfalen bis 1980», heißt es im Ausschreibungstext. Das
Gesundheitsministerium wolle «einen Beitrag zur Aufklärung der
damaligen Geschehnisse leisten und dieses dunkle Kapitel der
Landesgeschichte untersuchen lassen».

Die Erkenntnisse mehrerer Studien zu dem Komplex, die bereits
unerlaubte Medikamententests in solchen Einrichtungen belegten,
sollten zusammengeführt werden. Erwünscht sei aber auch, dass ein
Zeitzeugenportal eingerichtet werde, wo Betroffene ihre Erfahrungen
berichten könnten. Ihre Perspektive sei maßgeblich in die
wissenschaftliche Aufarbeitung einzubeziehen.

Bei der in NRW nachweislich geübten Praxis, Kinder und Jugendliche in
Heimen und Anstalten mit Medikamenten ruhig zu stellen und zu
disziplinieren sollen die Einrichtungen, Akteure, Ärzte und
Auftraggeber namentlich genannt werden. Auch die Rolle der
Pharma-Unternehmen sei aufzuarbeiten. Dabei gehe es um die Frage,
welche Medikamente konkret eingesetzt worden seien und: «Erhielten
Heim- beziehungsweise Anstaltsärzte für Erprobungen ein Honorar?»

Der Forschungsauftrag erfasst darüber hinaus die Rolle der
Landesinstitutionen und Aufsichtsstrukturen. Bis zum Sommer nächsten
Jahres soll ein Zwischenbericht vorgelegt werden, innerhalb von 24
Monaten ein Abschlussbericht.

In der ersten März-Woche hatte der Landtag mit einer Gesetzesänderung
den Gewaltschutz in Behinderteneinrichtungen verbessert. Auf Kritik
an der Verschärfung der Auflagen und Kontrollen hatte
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ausdrücklich auf die
lange Zeit im verborgenen gebliebene Leidensgeschichte von
Heimkindern hingewiesen. Aus schlimmen Vorkommnissen müssten
Konsequenzen gezogen werden, um die Menschenwürde zu schützen und
Risiken zu minimieren.