Die derzeit sich auf der ganzen Welt ausbreitende Omikron-Variante des Coronavirus geht oftmals symptomfrei oder mit milden Verläufen bei den Infizierten einher – dass das aber kein Grund zur Entspannung im anstehenden dritten Jahr der Pandemie sein sollte, zeigt nun eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), die am frühen Mittwochmorgen als sogenannte Fast-Track-Publikation im „European Heart Journal“ veröffentlicht wurde. (Hier der Link zur Studie)
Demnach hat die Auswertung einer aufwendigen Reihenuntersuchung ergeben, dass selbst ein milder Krankheitsverlauf mittelfristig zur Schädigung diverser Organe führen kann.
Die Hamburger UKE-Forscher legen damit nach eigenen Angaben „die ersten Ergebnisse der weltweit größten Gesundheitsstudie zu den gesundheitlichen Folgen von Covid-19 vor“. Dafür wurden von Mitte 2020 an insgesamt 443 Menschen im Alter zwischen 45 und 74 Jahren nach einer SARS-CoV-2-Infektion mit nur leichteren Symptomen umfassend untersucht. Die Befunde wurden dann mit denen von Teilnehmern der ohnehin laufenden „Hamburg City Health Study“ abgeglichen, die zu keinem Zeitpunkt infiziert worden waren.
Die mit dem Coronavirus infizierten Studienteilnehmer hatten keine, milde oder höchstens mäßige Symptome zum Zeitpunkt der Infektion angegeben. Die überwiegende Mehrheit von ihnen, nämlich 93 Prozent, wurde rein ambulant behandelt, keiner von ihnen benötigte eine intensivmedizinische stationäre Behandlung.
Das Ergebnis: Im Direktvergleich zur Gruppe der von den im Alter und auch ansonsten vergleichbaren Nichtinfizierten fanden sich bei den Probanden nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion Anzeichen von mittelfristigen Organschädigungen. In einer Mitteilung des UKE heißt es dazu wörtlich: „In der Lungenfunktionstestung konnte bei den Teilnehmenden ein um etwa drei Prozent reduziertes Lungenvolumen sowie ein leicht erhöhter Atemwegswiderstand dokumentiert werden. Die Herzuntersuchungen ergaben eine durchschnittliche Abnahme der Pumpkraft um ein bis zwei Prozent sowie eine 41-prozentige Erhöhung eines Markerproteins im Blut, welches Auskunft über die Belastung des Herzens gibt.“
Ein zentrales Ergebnis betraf auch die Beine: Durch die Ultraschalluntersuchung konnten laut den Angaben zwei- bis dreifach häufiger Zeichen einer erfolgten Beinvenenthrombose nachgewiesen werden. Ebenso sei bei den Probanden nach SARS-CoV-2-Infektion eine Abnahme der Nierenfunktion um etwa zwei Prozent festgestellt worden.
Immerhin gab es auch einen Lichtblick: Die Untersuchung von Struktur und Leistungsfähigkeit des Gehirns nach einer Infektion ergab keine Verschlechterung im Vergleich mit der Kontrollgruppe.
Die Infizierten waren zudem in Fragebögen nach der Einschätzung ihrer Lebensqualität befragt worden, dabei gab es kaum Veränderungen in der Wahrnehmung im Vergleich zurzeit vor den Kontakt mit dem Virus. Viele Veränderungen im Körper bleiben also wenigstens zunächst für die Betroffenen unbemerkt und konnten nur durch Untersuchungen, etwa durch die Magnetresonanz-Tomografie, in zehn Kliniken des UKE erforscht werden.
Für Raphael Twerenbold, wissenschaftlicher Studienzentrumsleiter und Kardiologe im Universitären Herz- und Gefäßzentrum des UKE, und Erstautorin Elina Petersen, Epidemiologin im epidemiologischen Studienzentrum des UKE, liefern die gewonnenen Daten wichtige Erkenntnisse: „Die Erkenntnis hat höchste Bedeutsamkeit gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Omikron-Variante, die mehrheitlich mit milderen Symptomen einherzugehen scheint“, sagen sie.
Stefan Blankenberg, ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums des UKE, will anhand der Befunde schon jetzt dafür planen, was langfristig auf Patienten und Kliniken zukommen könnte: „Die Ergebnisse ermöglichen es uns, frühzeitig mögliche organische Folgeerkrankungen zu erkennen und die entsprechenden therapeutischen Maßnahmen einzuleiten.“
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