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Manager Benjamin Behar

„Der Druck auf die Krankenhäuser wächst“

Autorenprofilbild von Julia Witte genannt Vedder
Von Julia Witte genannt VedderManaging Editor Hamburg
Veröffentlicht am 03.08.2023Lesedauer: 3 Minuten
Dr. Benjamin Behar (2)
Dr. Benjamin Isaak Behar, CEO des Krankenhausmanagementdienstleisters Vivecti Group, ehemals ProspitaliaQuelle: Prospitalia

Kliniken stehen durch die geplante Krankenhausreform vor Herausforderungen. Manager wie Benjamin Behar suchen nach neuen Strategien. Er hat gerade die Führung des Gesundheitsdienstleisters Prospitalia übernommen und will sie unter neuem Namen neu aufstellen.

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Benjamin Behar hat die Herausforderungen, vor denen viele deutsche Krankenhäuser aktuell stehen, nah miterlebt. Seit 2012 war er der geschäftsführende Direktor der Artemed-Gruppe, zu 18 Krankenhäuser in Deutschland gehören. „Es wird immer schwieriger, Fachkräfte für die Krankenhäuser zu finden“, sagt Behar und spricht dabei nicht nur vom Pflegepersonal. Auch an neuen Mitarbeitern für die Klinikverwaltung, für den Wareneinkauf und das Management mangelt es in vielen Häusern.

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Die geplante Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach sei in einigen Punkten richtig, so Behar. Unter anderem in der Spezialisierung von Häusern sieht er eine Chance. So könnte sie etwa helfen, die Behandlung für Patienten zu verbessern.

„Es macht Sinn, wenn beispielsweise Schlaganfallpatienten in Krankenhäusern behandelt werden, die eine Stroke-Unit vorhalten oder wenn Frühgeborene in einer Klinik geboren werden, die über ein entsprechendes Perinatalzentrum verfügt“, sagt Behar. Die Folgen der geplanten Krankenhausreform für die Kliniken seien bisher im Detail „schwer absehbar“. Klar sei jedoch, die Aufgaben würden komplexer, der Druck auf die Krankenhäuser, sich zu verändern, wachse.

Diese Veränderung will der gebürtige Berliner nun an anderer Stelle gestalten. Zum 1. August hat er den Vorstandsvorsitz der Prospitalia-Gruppe übernommen. Die 2015 von Ulm aus gegründete Gruppe ist ein Verbund aus Dienstleistern für den Gesundheitsmarkt, zu dem unter anderem das Hamburger Unternehmen Miralytik, die WMC Healthcare und die Hospital Management Group zählen. 1993 wurde sie als Einkaufsgemeinschaft für Krankenhäuser gegründet. Die Prospitalia ist eine der größten deutschen Einkaufsgesellschaften für Kliniken, arbeitet für mehr als 600 Akut-Krankenhäuser.

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Doch die Verhandlung von möglichst guten Konditionen im Materialeinkauf ist bei Weitem nicht mehr die einzige relevante Dienstleistung, die Kliniken nachfragen. Die Gruppe mit ihren mehr als 450 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 120 Millionen Euro bietet digitale Produkte und Datenanalyse, Beratung zu Sachkostensteuerung und zur strategischen Ausrichtung an, begleitet Klinikkäufe und -verkäufe und übernimmt sogar das Management ganzer Kliniken, wie etwa dem Johanniter-Krankenhaus in Geesthacht.

Während digitale Tools der Gruppe von über 3000 Leistungserbringern im stationären und ambulanten Bereich weltweit genutzt werden, nehmen zurzeit mehr als 100 Klinken die Beratungsdienstleistungen in Anspruch und über 30 Einrichtungen stehen aktuell unter Managementvertrag. Um den neuen Schwerpunkten Rechnung zu tragen, wird sich die Prospitalia in diesen Tagen in Vivecti Group umbenennen. Der Name setzt sich aus dem lateinischen Begriff „viva“ für Leben und dem Wort für den Hebel „vecti“ zusammen.

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Behar will Vivecti zu einer Dachmarke für die neun angeschlossenen Unternehmen machen und diese für die Angebote an Kunden enger miteinander vernetzen. „Der Hebel zu sein, der unseren Gesundheitsversorgern dabei hilft erfolgreicher zu arbeiten, ist für mich eine enorm zufriedenstellende Mission“, sagt Behar.

Er habe eigentlich nicht nach einer neuen Aufgabe gesucht, erzählt der 44-Jährige, der Lehraufträge mit dem Schwerpunkt Krankenhausmanagement an Universitäten in Hamburg und Berlin hatte. Das Angebot die Prospitalia weiterzuentwickeln sei dann aber einfach zu spannend gewesen. Der Posten war nach dem Weggang des vorherigen Vorstandes Marcel Vollmer für einige Zeit vakant gewesen.

Behar, der auch schon für das Beratungsunternehmen McKinsey gearbeitet hat, findet, mit der geplanten Krankenhausreform würde die Notwendigkeit wachsen, dass sich Kliniken Unterstützung von außen holen. „Die Umverteilung von Leistungen zwischen Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungsstufen und die voranschreitende Ambulantisierung werden zu Reorganisationsdruck bei den Krankenhäusern führen.“

Dafür bräuchte es transparente Daten, andere Konzepte, mutige Entscheidungen, zusätzliche Managementkapazitäten und eine konsequente sowie zügige Umsetzung. Das könnten die meisten Krankenhäuser, auch viele große Kliniken, oftmals nicht komplett im eigenen Haus leisten. Es sei durch die Krankenhausreform mit Verlagerungen von Versorgungsangeboten zu rechnen, die Gefahr von Insolvenzen und Klinikschließungen wird „nicht abnehmen, sondern zunehmen“, sagt Behar.