Geburt ohne Arzt: Immer mehr Hebammenkreißsäle in NRW

Um während einer Geburt gut versorgt zu sein, braucht es meist keinen
Arzt - aber intensive Versorgung von einer Hebamme. Das ist die Idee
des Hebammenkreißsaals - in NRW offenbar ein Erfolgsmodell.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Werdende Mütter können sich an immer mehr
Kliniken in Nordrhein-Westfalen für eine Geburt in einem Kreißsaal
entscheiden, den Hebammen und nicht Ärzte leiten. Aktuell bieten 28
der 133 Geburtskliniken im Land hebammengeleitete Geburten an, teilte
das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium auf Anfrage der
Deutschen Presse-Agentur mit. Bis zum Herbst 2024 werden sieben
weitere solcher hebammengeführten Kreißsäle dazu kommen. Bei dem vom

Land geförderten Betreuungsmodell, können Schwangere, bei denen eine
unkomplizierte Geburt erwartet wird, ihr Kind ohne Anwesenheit eines
Arztes zur Welt bringen. 

Das Versorgungskonzept bietet der Schwangeren eine durchgehende
Betreuung durch die Hebamme während der Geburt - und wird vom
Landeshebammenverband daher als vorbildlich gelobt. «Im
Hebammenkreißsaal können Frauen so intensiv betreut werden und
Hebammen so arbeiten, wie sie es sich wünschen», sagt Michelle Rump,
Vorsitzende des Landesverbandes der Hebammen Nordrhein-Westfalen.
Regulär kümmere sich eine Hebamme häufig um mehrere Gebärende
gleichzeitig. «Vieles, was wir in unserer Ausbildung über die
beobachtende und zugewandte Begleitung einer Geburt lernen, bleibt in
so einem Fall auf der Strecke»

Nach einem Modell zu arbeiten, in dem eine Hebamme jeweils eine Frau
betreut, sei nicht nur für die Familien hilfreich, es steigere die
Arbeitszufriedenheit der Hebammen enorm. Der höhere Personalaufwand,
den Kliniken betreiben müssten, zahle sich doppelt aus: «Viele Frauen
sehnen sich nach einer natürlichen Geburt und zugewandten Betreuung -
da ist es nur logisch, dass immer mehr Kliniken diese Wahlmöglichkeit
anbieten.» Weiterer Pluspunkt: Trotz anhaltenden Fachkräftemangels
blieben freie Stellen in Hebammenkreißsälen nicht lange unbesetzt. 

Verschiedene Studien, so auch ein Forschungsprojekt im Auftrag des
Landesgesundheitsministeriums, konnten positive Auswirkungen auf
Geburtsverläufe belegen: «Bei gleichbleibender Sicherheit gibt es
weniger medizinische Interventionen», so Rump. Frauen griffen etwa
seltener auf Schmerzmittel zurück, es würden weniger Dammschnitte
vorgenommen und seltener Saugglocken oder Geburtszangen angewendet. 

In aller Regel sei der Hebammenkreißsaal dabei kein eigener Raum
unter der Regie der Hebammen, sondern vielmehr ein
Versorgungskonzept, in dem ein Arzt nur hinzugezogen werde, wenn
während der Geburt etwas von der Norm abweicht. «Der Arzt wird bei
einer normal verlaufenden Geburt nicht unbedingt gebraucht. Das ist
originäre  Hebammentätigkeit. Bei drohenden Komplikationen werden
Ärzte hinzugezogen und die Geburt im Team auf Augenhöhe begleitet»,
so Rump. 

Sobald sich Schwierigkeiten andeuteten, werde auch im
Hebammenkreißsaal immer auf die medizinische Unterstützung
zurückgegriffen, betonte sie. Auch sei vorausgesetzt, dass die
Hebamme die Schwangeren vor der Geburt kennenlerne. Dabei könnte sie
auch feststellen, ob doch eher von vorneherein auf medizinische
Unterstützung gesetzt werden sollte, etwa weil es bereits
Kaiserschnitte gab oder die Lage des Kindes eine natürliche Geburt
erschweren könnte. 

«Es ist mir wichtig, an Rahmenbedingungen zu arbeiten, die Fachkräfte
an die geburtshilflichen Abteilungen binden», betont auch
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) mit Blick auf das
Erfolgsmodell. Die Rückmeldungen aus der Praxis zeigten genau das:
«Das Betreuungskonzept Hebammenkreißsaal fördert natürliche
Geburtsverläufe, verbessert die Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft
und Hebammen und erhöht ihre Arbeitszufriedenheit», so der Minister. 


Deshalb soll die finanzielle Förderung von Kliniken für die
Errichtung eines Hebammenkreißsaals auch 2025 fortgesetzt werden. Bis
zu 25 000 Euro Unterstützung können Kliniken dafür beim Land
beantragen. Seit dem Start des Förderaufrufs im Jahr 2021 seien rund
700 000 Euro ausgeschüttet worden, so das Ministerium.