Nicole Knabe

Gesundheitsdaten für die Versorgung umfassend nutzbar machen

Gesundheitsdaten bilden die Basis für medizinischen Fortschritt und eine moderne Gesundheitsversorgung. Aktuell ist die Datennutzung im hiesigen Gesundheitswesen jedoch stark eingeschränkt.

In den vergangenen Jahren wurden wichtige Grundlagen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen gelegt. Dazu gehören die Telematikinfrastruktur, die elektronische Patientenakte oder Apps auf Rezept. Woran es aber besonders hakt, ist die Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten für die Behandlung von Versicherten. Im Interview spricht Ralf Degner, Leiter TK-Digital Office, unter anderem über nötige Änderungen in der Gesetzgebung und die Mammutaufgabe der Harmonisierung von Daten.

Vernetzte Gesundheitsdaten können die individualisierte Medizin vorantreiben und Therapien optimieren. Was muss der Gesetzgeber anpacken, damit wir dieses Datenpotenzial heben können?

Aktuell haben wir ja gar keine vernetzten Gesundheitsdaten, vielmehr liegen sie dezentral und abgeschottet in den IT-Systemen der Leistungserbringer. Hier muss der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Datennutzung verbessern. Auch wir als Krankenkasse könnten einen größeren Beitrag leisten, würden wir von Rechtswegen erweiterte Befugnisse bekommen und Gesundheitsdaten künftig auch für Forschung und Versorgung verarbeiten dürfen – derzeit machen das die Zweckbindungen im Sozialgesetzbuch unmöglich. Darüber hinaus müssten die Lieferfristen für die ambulanten Abrechnungsdaten verkürzt und die Aufbewahrungsfristen für die verschiedenen Datenquellen harmonisiert werden.

Ralf Degner, Leiter des Digital Office.

Stichwort Harmonisierung: Die fehlt derzeit auch unter medizinischen Registern. Die Ampelkoalition will das Thema angehen und ein Registergesetz auf den Weg bringen. Was sollte dabei Priorität haben?

Medizinische Register sind wichtig, um Informationen über Krankheiten oder Therapieverläufe zu verwalten. In Deutschland haben wir zirka 300 Register, die allerdings inhaltlich extrem heterogen und bezüglich ihrer Rahmenbedingungen sehr uneinheitlich sind. Ein Gesetz muss hier Transparenz über die Registerstrukturen schaffen und für eine Anschlussfähigkeit der Register untereinander sorgen. Nur so können komplexe Fragestellungen, etwa im Bereich von seltenen Erkrankungen, beantwortet werden.

Eine große Herausforderung besteht auch in der Harmonisierung von Daten. Es gibt diverse Datenstandards in der Medizin, jedoch keine einheitliche Sprache für alle Medizinerinnen und Mediziner. Die Vereinheitlichung von Daten wird noch viel Zeit und Kraft kosten. Es braucht etwa standardisierte Erhebungsprozesse sowie einheitliche Anforderungen an die Datenstruktur, beispielsweise zu Formaten und Spezifikationen.

Die TK setzt sich dafür ein, dass mit einem Registergesetz auch der Rahmen für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement geschaffen wird. Wie verbessert das die Nutzung von Gesundheitsdaten?

Um zum Beispiel Wechselwirkungen bei Arzneimittelstudien identifizieren zu können, muss man bestimmte Krankheitsaspekte von Patientinnen und Patienten ins Verhältnis setzen. Dafür benötigt man wiederum eine Technik, mit der man in allen Registern auf die gleiche Art und Weise Pseudonyme bildet. Dank eines derartigen Personenkennzeichens lassen sich Datensätze registerübergreifend eindeutig zuordnen – ohne die Identität der Person preiszugeben. Erst ein solches datenschutzkonformes Identitätsmanagement erlaubt es, Forschungsfragen anzugehen.

In der Gesetzlichen Krankenversicherung haben wir mit der Krankenversichertennummer ein eindeutiges Identitätsmerkmal und mit der elektronischen Gesundheitskarte eine sichere Option im Einsatz.

Es kursiert immer wieder der Vorschlag, den Personalausweis zum Einlösen von Rezepten zu nutzen. Das klingt erstmal logisch, aber ist es das auch?

In Schweden ist das der Fall, dort wird der Personalausweis fürs Einlösen von Rezepten genutzt. Das könnte man grundsätzlich auch in Deutschland machen, allerdings fehlt dafür aktuell die notwendige Rechtsgrundlage. Gleichzeitig haben wir in der Gesetzlichen Krankenversicherung mit der Krankenversichertennummer ein eindeutiges Identitätsmerkmal und mit der elektronischen Gesundheitskarte eine sichere Option im Einsatz. Es besteht also kein Bedarf, denn unser System funktioniert. Zudem wird die eID-Funktion des Personalausweises in der Bevölkerung kaum genutzt.

Sie sitzen im Interop Council der Gematik. Das Expertengremium wurde im Dezember 2021 gegründet. Welche Aufgaben gehen Sie im Council als Erstes an?

Das Gremium leistet digitale Grundlagenarbeit und spielt eine zentrale Rolle bei der Normierung von Interoperabilitätsstandards im deutschen Gesundheitswesen. Die Gematik betreibt ein Verzeichnis, das INA-Verzeichnis, in dem die Standards zur Interoperabilität gelistet sind. Das Council hat in seiner letzten Sitzung den dazugehörigen Kriterienkatalog verabschiedet und darin bestimmt, was einen Standard ausmacht und welche Informationen vorliegen müssen, damit er in das INA-Verzeichnis aufgenommen werden kann.

Es gibt Arbeitskreise zu verschiedenen Themen, etwa Onkologie und zu Herzinsuffizienz. Sie beschäftigen sich mit der Frage, wie es in den jeweiligen Versorgungspfaden um die Interoperabilität der Datenflüsse steht. Dank dieser Bestandsaufnahmen lassen sich Anknüpfungspunkte für Verbesserungen identifizieren.

Weitere Informationen

Eine kluge Nutzung von Gesundheitsdaten, kann die Versorgung enorm verbessern. Die Forderungen der TK zeigt das Positionspapier zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz.



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