Die Pharmaindustrie hat im vergangenen Jahr in Deutschland mehr als eine halbe Milliarde Euro an Ärzte und Krankenhäuser gezahlt – für Studien, Weiterbildungen und Vortragshonorare. Erstmals haben Pharmafirmen Zahlen zu diesen Zuwendungen veröffentlicht. Demnach flossen im vergangenen Jahr insgesamt 575 Millionen Euro an die Mediziner.

Zwei Drittel der Summe, 366 Millionen Euro, gingen an Ärzte, Kliniken und andere Gesundheitsberufe für klinische Studien und die umstrittenen sogenannten Anwendungsbeobachtungen. Dabei protokollieren Ärzte die Wirkung einer Arznei auf ihre Patienten und leiten diese anonymisiert an das Unternehmen weiter.

Nach Ansicht von Kritikern handelt es sich dabei allerdings um Scheinstudien. Die Bezahlung der Beobachtungen diene vor allem dazu, Ärzte zu bestechen, bestimmte Medikamente bevorzugt zu verschreiben. Patienten könnten nicht sicher sein, das für sie am besten geeignete Arzneimittel zu bekommen. Die Pharmaindustrie argumentiert zwar, die Erprobung der Arzneimittel im Alltag sei ein wichtiger Forschungsbestandteil. Allerdings haben selbst Vertreter der Industrieseite vor einigen Jahren eingeräumt, dass ein Großteil für die Forschung uninteressant ist.

119 Millionen seien für Vorträge und Fortbildungen von Ärzten bezahlt worden. Mit 90 Millionen Euro habe die Branche Fortbildungsveranstaltungen, Spenden und Stiftungen gesponsert, heißt es in dem Bericht weiter.

Mit der erstmaligen Veröffentlichung setzen die 54 Unternehmen des Verbands Forschender Pharma-Unternehmen und der Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie einen Transparenzkodex um, den sie sich selbst auferlegt haben. Zu den Unternehmen gehören Firmen wie Bayer, GlaxoSmithKline, Novartis, Boehringer Ingelheim und Sanofi. Krankenkassen und Anti-Korruptions-Experten reicht diese Selbstverpflichtung allerdings nicht aus.

Immer wieder Korruptionsvorwürfe gegen Pharmabranche

Der Branche war immer wieder vorgeworfen worden, Ärzten Geld für umstrittene Studien, Fortbildungen und Reisen zu bezahlen – in der Hoffnung, Ärzte würden dann vermehrt ihre Medikamente verschreiben. Mit der jährlichen Veröffentlichung der Zahlen wollen die Unternehmen den Verdacht der Einflussnahme auf Ärzte nach eigenen Angaben ausräumen.

Die Krankenkassen begrüßten den Vorstoß zwar, finden ihn allerdings ungenügend. Eine Sprecherin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung sagte, noch besser wäre, wenn der einzelne Patient nachvollziehen könne, wie viel Geld an welchen Arzt geflossen sei.

Auch die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche forderte mehr Transparenz, da zwei Drittel der Zuwendungen der Pharmaindustrie für die umstrittenen Anwendungsbeobachtungen aufgewendet würden, die als besonders korruptionsanfällig gelten.

Die Antikorruptionsinitiative Transparency International kritisiert, dass die Teilnahme für Ärzte freiwillig sei. "Ärzte, die was verstecken wollen, können was verstecken", sagte ihr Experte Wolfgang Wodarg. Nach Angaben des Verbands Forschender Pharma-Unternehmen ist derzeit nur ein Drittel der Ärzte bereit, die Zuwendungen, die sie von der Pharmaindustrie erhalten, zu veröffentlichen.

Im April hatte der Bundestag ein Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen verabschiedet, mit dem der Forderung nach mehr Transparenz auf dem Arzneimittel- und Medizinproduktemarkt Nachdruck verliehen werden soll. Schließlich drohen mit dem neuen Antikorruptionsgesetz im Gesundheitswesen in schweren Fällen bis zu fünf Jahre Haft bei Bestechung oder Bestechlichkeit. Das heißt, nicht nur der bestochene Arzt oder Apotheker, sondern auch der bestehende Pharmareferent ist dran.