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Ärztekammer-Präsident hält Kliniken-Studie aber für überzogen

Windhorst für Neuordnung

Münster (WB). Dr. Theodor Windhorst (68) aus Bielefeld, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, stellt sich im November nicht erneut zu Wahl. In Münster erläuterte er am Montagabend zusammen mit seinem Stellvertreter und Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt zum letzten Mal beim jährlichen Pressegespräch Positionen der Kammer.

Christian Althoff

Dr. Theodor Windhorst (68) aus Bielefeld ist bald nicht mehr Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Er stellt sich im November nicht noch einmal zur Wahl.
Dr. Theodor Windhorst (68) aus Bielefeld ist bald nicht mehr Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Er stellt sich im November nicht noch einmal zur Wahl. Foto: AEKWL

Zentrale Notrufnummer:

Die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beabsichtigte Zusammenlegung der Notrufnummer 112 mit der Nummer des ärztlichen Notdienstes, 116 117 (Anrufer landen immer in der Feuerwehrleitstelle und werden von einem Experten weitergeleitet), hält Windhorst für gut. Er bemängelt aber, dass ein entsprechender Feldversuch, der seit 2018 in den Kreisen Paderborn, Höxter und Lippe läuft, nicht erst wissenschaftlich ausgewertet wurde. Zudem kritisiert er, dass Spahn die Auswahl des Fachpersonals nicht der Ärztekammer zuweisen will, sondern dem Gemeinsamen Bundesausschuss (Ärzte, Krankenhäuser, Kassen). Spahn habe einen »pathologischen Drang«, Gesetze auf den Weg zu bringen: »19 in 16 Monaten.«

Krankenhausschließungen:

»Wir brauchen nicht drei Kardiologien im Umkreis von 20 Kilometern«, sagte Windhorst. Die von der Bertelsmann-Stiftung geforderte Konzentration von 1400 auf 600 Krankenhäuser hält er aber für überzogen. Trotzdem komme die Politik vor Ort nicht darum her­um, die Krankenhauslandschaft neu zu ordnen – auch unter dem Gesichtspunkt fehlender Ärzte und Pfleger. »Wenn die Lokalpolitiker das nicht schnell in Angriff nehmen, tut es der Minister.« Er könne sich vorstellen, Krankenhäuser der Grundversorgung, der Regionalversorgung und spezialisierte Zentren zu haben, sagte Windhorst. Um das zu regeln, könnten Kassen beschließen, bestimmten Häusern bestimmte Eingriffe nicht mehr zu bezahlen. Kliniken in privater Hand sieht Windhorst weiterhin kritisch. »Helios macht im Jahr 700 Millionen Euro Gewinn. Das ist nicht der allererste Zweck unseres Gesundheitssystems.«

Ärztlicher Notdienst:

Windhorst und Dr. Klaus Reinhardt halten Änderungen für dringend nötig. Reinhardt: »Die Vorstellung, dass jeder Arzt eigentlich jedem Kranken helfen kann, ist antiquiert. Dafür ist inzwischen alles viel zu komplex.« Dass jemand mit unklaren Bauchschmerzen im Notdienst beispielsweise an einen Orthopäden gelange, sei nicht gut.

Forschung:

Die medizinische Forschung kommt nach Windhorsts Ansicht sowohl bei der Ärzteausbildung als auch in den Krankenhäusern oft zu kurz. »Heute werden gelegentlich Doktorarbeiten eingereicht, die den Namen nicht verdienen. Das sieht auch der Wissenschaftsrat so.« In der Medizinfakultät der Universität Bochum werde so gut wie gar nicht geforscht. »Das findet alles am Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen statt, mit dem die Uni kooperiert.«

Neue Medizinfakultät in Bielefeld:

Die Auswahl der vorgesehenen Professoren sei transparent und wissenschaftlich orientiert gewesen. »Ohne Vetternwirtschaft«, sagte Windhorst. Vizepräsident Reinhardt bemängelte jedoch, dass er bis heute »als sehr vernetzter Allgemeinmediziner« nicht in die Planungen für den künftigen Studienschwerpunkt Allgemeinmedizin eingebunden worden sei.

Fachärzteausbildung:

»Wir müssen schneller werden«, sagte Windhorst. In anderen EU-Ländern sei die Facharztausbildung »um Jahre kürzer«. Das Ausbildungslogbuch, in dem Ausbilder vermerkten, was ein Arzt gelernt und welche Tätigkeiten er gemacht habe, müsse endlich digital geführt werden. »Die Kammer muss ohne großen Aufwand prüfen können, ob ein Arzt vor allem als Arbeitskraft eingesetzt oder tatsächlich konsequent weitergebildet wird.«

Frauen:

Obwohl sie den Großteil der Studienabsolventen in der Medizin stellten, seien Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert, sagte Windhorst. »Das liegt daran, dass sich viele von ihnen eben doch um Kinder und Erziehung kümmern möchten.« Die Ärztekammer merke das selbst, wenn sie bei Wahlen Frauen aufstellen möchte: »Kaum eine ist bereit. Denen fehlt einfach die Zeit.«

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