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Seit fast einem Jahr ist Christian Siegling Pflegedirektor am Herz- und Diabeteszentrum

Pflegekräfte: HDZ geht neue Wege

Bad Oeynhausen (WB). Seit September vergangenen Jahres ist Christian Siegling Pflegedirektor am Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) Nordrhein-Westfalen. Zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres berichtet der gelernte Krankenpfleger WESTFALEN-BLATT-Redakteur Rajkumar Mukherjee, wie wichtig Pflegekräfte für das Herz- und Diabeteszentrum sind.

Tilo Zimmermann und Belen Garcia Leon arbeiten als Gesundheits- und Fachkrankenpflegekräfte auf der herzchirurgischen Intensivstation CHI 3 des Herz- und Diabeteszentrums (HDZ). Jüngst hat das HDZ 20 Pflegekräfte von den Philippinen eingestellt.
Tilo Zimmermann und Belen Garcia Leon arbeiten als Gesundheits- und Fachkrankenpflegekräfte auf der herzchirurgischen Intensivstation CHI 3 des Herz- und Diabeteszentrums (HDZ). Jüngst hat das HDZ 20 Pflegekräfte von den Philippinen eingestellt. Foto: Peter Habbe

Herr Siegling, seit fast einem Jahr sind Sie als Pflegedirektor am Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen tätig. Wie ist es um die Pflege im HDZ NRW bestellt?

Christian Siegling: Die Pflegequalität im HDZ NRW ist vorbildlich und hochprofessionell. Unsere Mitarbeiter leisten hervorragende Arbeit. Neben der exzellenten Leistung angesichts einer speziellen Patientenklientel, die in anderen Häusern nicht weiterbehandelt werden kann, freut mich besonders die hohe Loyalität der Mitarbeiter zu unserer Einrichtung.

Wie sehr spielt das Thema Fachkräftemangel derzeit eine Rolle am HDZ?

Siegling: Es ist schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Das gilt vor allem für die Bereiche Intensivpflege, Kinderintensivpflege und OP. Es gibt auf dem Arbeitsmarkt schlichtweg keine verfügbaren Pflegekräfte mehr.

Wenn man die Arbeitszeiten der Pfleger, Wechseldienste und vieles mehr berücksichtigt und weiß, dass das HDZ NRW eine bestimmte Anzahl von Pflegern benötigt – in Zukunft vielleicht sogar mehr – könnte es dann überhaupt zu einem Engpass kommen?

Siegling: Vor dieser Situation stehen derzeit alle Kliniken in Deutschland, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, je nach Kapazität und Leistung der Häuser. Wenn man dabei bedenkt, dass die Berentung der geburtenstarken Jahrgänge gerade erst begonnen hat, zeigt das den Ernst der Lage.

Das Herz- und Diabeteszentrum hat erstmals in diesem Jahr 20 Pflegekräfte von den Philippinen eingestellt, die ersten 17 neuen Mitarbeiter kamen im März. Weitere 23 folgen bis spätestens Anfang des Jahres 2020. Wie sehr sind die neuen Kollegen schon im Klinikalltag integriert?

Siegling: Die Rückmeldungen von unseren Stationen sind durchweg sehr positiv und vielversprechend. Obwohl sie erst relativ kurze Zeit in Deutschland sind, sind unsere philippinischen Pflegekräfte besonders sprachkompetent. Auch von ihnen selbst gibt es ein positives Feedback zum HDZ als Arbeitgeber.

Mitarbeiter aus 40 Ländern weltweit

Gibt es auch Probleme?

Siegling: Im HDZ sind Mitarbeiter aus mehr als 40 verschiedenen Ländern weltweit angestellt. Wir wissen daher schon, dass die neuen Kolleginnen und Kollegen oft mehr Unterstützung im Alltag und vor Ort benötigen, als man das zunächst einschätzt. Das betrifft vor allem kulturelle Unterschiede zum Herkunftsland. Fahrradfahren kann in Bad Oeynhausen zum Beispiel sehr nützlich sein. Das lernt man auf den Philippinen meist gar nicht. So lernen auch wir dazu und arbeiten daran, das Ankommen und Einfinden für unsere aktuellen Beschäftigten und unsere neuen Kolleginnen und Kollegen weiter zu entwickeln.

Gibt es weitere geplante Kooperationen, um Pflegekräfte aus anderen Ländern anzuwerben?

Siegling: Nein. Unsere Erfahrungen mit den philippinischen Pflegenden sind vielmehr so ermutigend, dass wir dieses Konzept auf jeden Fall weiterverfolgen werden.

Am 1. August haben wieder neue Auszubildende auch am HDZ begonnen. Warum ist auch aus Ihrer Sicht dieser Beruf nach wie vor ein toller?

Siegling: In einem Satz: Der Pflegeberuf ist einfach sinnvoll und superspannend. Kaum ein anderer Beruf ist so vielfältig. Die Pflege hat einen gesellschaftlichen und menschlichen Wert, den man nicht oft genug betonen kann. Welche andere Tätigkeit könnte sinnstiftender und befriedigender sein, als kranken Menschen in einen Alltag mit besserer Lebensqualität zurückzuhelfen?

Jeder Beruf hat aber auch Schattenseiten …?

Siegling: Natürlich gibt es die, wie in jedem Beruf. Der hohe Bedarf an Pflegefachkräften ist derzeit unsere große Sorge. Noch dazu hat eine oft einseitige Berichterstattung und undifferenzierte Darstellung zu Arbeitszeiten und Bezahlung in den Medien dem Ansehen des Pflegeberufs leider mehr geschadet als genützt.

Krankenhäuser dürfen seit 2017 Pflegepersonal nach Bedarf ausbilden

Blicken wir auf die Politik. Wie steht es aus Ihrer Sicht derzeit mit den Bemühungen, den Bereich der Pflege zu stärken? Oder: Was kann, was sollte die Bundespolitik ändern?

Siegling: Grundsätzlich positiv sehe ich, dass die Krankenhäuser seit 2017 erstmals die Erlaubnis erhalten haben, Pflegepersonal nach Bedarf auszubilden und man sich im Bundeskabinett mit der Thematik beschäftigt. Allerdings ist zu befürchten, dass Vorgaben wie die der Pflegepersonaluntergrenzenverordnung und des Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetzes in ihrem Zusammenwirken eher dazu führen werden, den Druck auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Insgesamt ist wohl damit zu rechnen, dass der Bedarf an Pflegefachkräften zukünftig weiter steigen wird. Wünschenswert aus meiner Sicht wären Maßnahmen, die die Akademisierung des Pflegeberufs vorantreiben. Und auch über leistungsbezogene, etwa schweregradadaptive Vergütungen innerhalb der Tarifgruppen sollte nachgedacht werden, um den höchst unterschiedlichen Aufgaben der jeweiligen Krankenhäuser gerecht zu werden. Das ist ein Aspekt, der in einem Spezialklinikum wie dem HDZ NRW sehr deutlich wahrzunehmen ist.

Apropos: Werbung für den Beruf des Pflegers macht NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bei jedem Besuch in Bad Oeynhausen. Er betont, wie wichtig es ist, Pflegekräfte als gleichberechtigte Partner neben Ärzten und weiteren Fachkräften zu sehen. Brauchen Pfleger noch mehr Anerkennung?

Siegling: Selbstverständlich ist das unser Wunsch und das entspricht auch unserer Haltung am HDZ, dass Pflegekräfte als wertvolle Partner in der Gesundheitsversorgung anerkannt sind und der gemeinsame Erfahrungsaustausch von Ärzten und Pflegenden dann letztlich zu der für den Patienten am besten geeigneten Therapie führt. Ja, der Pflegeberuf verdient bei uns eine hohe Achtung und noch mehr Beachtung. Deutschland zählt zum Beispiel noch zu den ganz wenigen Ländern, in denen die Ausbildung nicht-akademisch stattfindet. Ebenso wichtig wie diese Anerkennung erscheint es mir aber auch, die steigende Nachfrage nach qualifizierten Pflegefachkräften als wichtige gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe zu erkennen. Unsere Gesundheit sollte uns das wert sein.

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