Während der größten Razzia, die in Hamburg je von der Wirtschaftsstaatsanwaltschaft angeordnet wurde, haben rund 400 Polizisten am Dienstagmorgen die Firma ZytoService und knapp 50 Objekte im Umfeld des Unternehmens durchsucht, darunter Villen, Arztpraxen, Apotheken, ein Krankenhaus und mehrere Firmensitze in Hamburg. ZytoService ist der Marktführer bei der Herstellung von Infusionen gegen Krebs in Deutschland. Bei den Ermittlungen geht es um den Verdacht der Bestechung und des Betrugs. Das Unternehmen war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Nach Recherchen von ZEIT ONLINE und des ARD-Magazins Panorama soll die Firma Ärzte bestochen und durch ein offenbar illegales Geschäftsmodell an lukrative Rezepte von Onkologen gelangt sein. Seit Januar 2017 sollen einzelne Ärztinnen und Ärzte neben sogenannten Kickback-Zahlungen in Höhe von mehr als 500.000 Euro auch "rückzahlungsfreie Darlehen, Nutzung luxuriöser Fahrzeuge oder anderweitige geldwerte Zuwendungen" wie Praxiseinrichtungen erhalten haben. Im Gegenzug soll ZytoService über eine konzernnahe Apotheke von den Ärzten offenbar die lukrativen Rezepte für die Infusionen erhalten und sie  zu Unrecht bei den Kassen abgerechnet haben. Allein der Techniker Krankenkasse soll seit Januar 2017 ein Betrugsschaden von 8,6 Millionen Euro entstanden sein.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft wirft den Hauptbeschuldigten nach Informationen von ZEIT ONLINE und Panorama "Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen und Betrug" vor. Manager von ZytoService, darunter die drei Gründer, sollen "jeweils gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande gehandelt" haben.

Bei Krebserkrankungen entscheiden die Ärztinnen und Ärzte, an welche Spezialapotheken die Rezepte ihrer Patienten für die Infusionen mit Krebsarzneien gehen. Eine Krebstherapie kostet bis zu 100.000 Euro. Die Rezepte sind deshalb für Apotheken und Herstellbetriebe wie ZytoService höchst lukrativ und heißen in der Branche "Pharmagold".