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14 Ärzte in NRW aufgefallen – Masken-Befreiung entspricht nicht immer der Vorschrift

Vereinzelt illegale Corona-Atteste

Münster/Bielefeld (WB). Wegen unzulässiger Corona-Atteste hat der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe fünf Medizinern die gelbe Karte gezeigt. Zwei Ärztinnen und drei Ärzte seien schriftlich ermahnt worden, sie sollten sich an die Vorschriften halten, bestätigte Kammer-Sprecher Volker Heiliger am Donnerstag.

Christian Althoff

Symbolbild. Wo eine Maskenpflicht gilt, kann der jeweilige Hausherr entscheiden, ob er Atteste zur Maskenbefreiung anerkennt.
Symbolbild. Wo eine Maskenpflicht gilt, kann der jeweilige Hausherr entscheiden, ob er Atteste zur Maskenbefreiung anerkennt. Foto: dpa

Nicht alle Mediziner stehen hinter den Corona-Schutzverordnungen der Länder. So verbreiten die „Ärzte für Aufklärung“ um den Hamburger Mediziner Heiko Schöning unter anderem eine Erklärung, die hinter der Corona-Pandemie ein Komplott sieht. Es gebe Kräfte, heißt es dort, die interessiert seien, Panik zu erzeugen. „Auf diese Weise wollen sie dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung (...) durchsetzen.“ Dies sei „der Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht“.

Doch neben Verschwörungstheoretikern gibt es auch Ärzte, die scheinbar fachliche Bedenken gegen einzelne Maßnahmen vorbringen. So fordert der Internist Dr. Martin von Rosen aus dem hessischen Gersfeld, die Maskenpflicht für Kinder auszusetzen. „Die Frischluftzufuhr wird reduziert, während der CO

-Anteil auf das Mehrfache steigen kann.“ Durch die Sauerstoffunterversorgung drohten gerade Kindern Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsstörungen und Herzrasen.

„Maske auch bei Asthma möglich“

Das hält Dr. Marcus Heidemann aus Bielefeld, Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Westfalen-Lippe, allerdings für „dummes Zeug“: „Nur selbstgemachte Masken aus falschem Material, die sich beim Einatmen zusammenziehen, weil sie nichts durchlassen, können solche Symptome auslösen.“ Übliche Masken ließen genug Luft passieren. „Selbst Kinder, die Asthma haben, sollten von ihrem Arzt so gut eingestellt sein, dass eine Maske kein Problem ist.“

Ärzten steht es frei, Patienten, die sie für gefährdet halten, per Attest vom Maskentragen zu befreien – was übrigens für Ladeninhaber und andere Personen mit Hausrecht nicht bindend ist. Volker Heiliger, Sprecher der Ärztekammer Westfalen-Lippe: „Für ein Attest muss der Arzt den Patienten allerdings untersuchen und eine individuelle Einschätzung vornehmen. Und das ist wohl nicht immer geschehen.“ So seien in Einzelfällen Blanko-Atteste ausgestellt worden, oder Medizinern habe ein Video-Kontakt mit dem Patienten genügt. Beides sei unzulässig.

Ein Fall im Kreis Paderborn

Eine Ärztin, die man ermahnt habe, sei als Unterstützerin des Vereins „Ärzte für Aufklärung“ bekanntgewesen, sagte Heiliger. „Die übrigen Fälle haben unsere Rechtsabteilung über andere Wege erreicht.“ So sei einer Lehrerin aufgefallen, dass etliche Schüler maskenbefreiende Atteste eines einzigen Arztes vorgezeigt hätten. „Die Lehrerin hat das dem Schulleiter mitgeteilt, der uns informiert hat.“ Bis auf einen Arzt aus dem Kreis Paderborn praktizierten alle angeschriebenen Ärzte im Ruhrgebiet. Bei illegalen Masken-Attesten gehe es nicht nur um einen Verstoß gegen ärztliche Berufspflichten. „Ein Attest gilt als Urkunde, und wer die fälscht, macht sich strafbar.“

Heiliger sagte, wie jeder andere hätten natürlich auch Ärzte das Recht, sich öffentlich hinzustellen und ihre Meinung zu sagen. Wer allerdings auf einer Demonstration sage, er sei Arzt und gegen die Maskenpflicht und zur Missachtung der Corona-Schutzverordnung aufrufe, müsse mit Sanktionen rechnen. Die Möglichkeiten der Kammer begännen mit einem Schreiben des Präsidenten, sagt Heiliger. „Als nächstes droht eine Rüge. Dann gibt es noch eine Rüge mit einer Geldstrafe bis zu 5000 Euro, und als schärfste Sanktion kann die Kammer einen Arzt vor das Berufsgericht bringen.“

Neun Fälle im Rheinland

Die zweite Kammer in NRW, die Ärztekammer Nordrhein, hat neun Mediziner im Fokus. Sprecherin Sabine Schindler-Marlow: „In zwei Fällen wurden von Ärzten Blanko-Atteste über das Internet angeboten.“

Derzeit gibt es in Westfalen-Lippe 46.000 Ärzte. „Insofern ist das knappe halbe Dutzend, das uns aufgefallen ist, ein verschwindend geringer Teil“, sagte Heiliger. Wie viele Atteste die Ärztinnen und Ärzte ausgestellt hätten, wisse man allerdings nicht.

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