LEAK: Die Pläne der EU-Kommission für einen Gesundheitsdatenraum

Der Europäische Gesundheitsdatenraum ist der erste der gemeinsamen europäischen Datenräume, die Sektoren wie Finanzen, Energie und Mobilität abdecken werden. [Sergey Nivens/Shutterstock]

Einem von EURACTIV eingesehenen Entwurf zufolge will die Europäische Kommission einen neuen rechtlichen Rahmen für Gesundheitsdaten vorschlagen, der die grenzüberschreitende Interoperabilität verbessern soll. Eine solcher Rahmen für einen gesamteuropäischen Datenraum wäre der erste dieser Art.

Der EU-Vorschlag zum Gesundheitsdatenraum gilt als „Antrieb für die Europäische Gesundheitsunion“, die nach der Corona-Pandemie in Angriff genommen wurde. Der Plan für eine Gesundheitsunion soll die Art und Weise, wie die Gesundheitsversorgung in der gesamten EU verwaltet wird, neu gestalten.

Der Vorschlag ist auch das erste Gesetz zur Digitalpolitik, das auf dem Daten-Governance-Gesetz, der horizontalen Rechtsvorschrift zur Daten-Governance, und dem Datengesetz, dem kürzlich vorgelegten EU-Gesetz zur gemeinsamen Datennutzung, aufbauen soll.

Die Hauptziele der Verordnung bestehen darin, den Gesundheitssektor effizienter zu machen, die wissenschaftliche Forschung im Bereich der Telemedizin voranzutreiben und den Gesundheitsdaten-Sektor voranzubringen, indem die Entwicklung neuer digitaler Gesundheitsdienste und -produkte gefördert wird.

Rechte des Einzelnen auf „primäre“ Datennutzung

Nach Ansicht der Kommission sollte jeder das Recht haben, auf ein Mindestmaß an „primären“ Gesundheitsdaten zuzugreifen. Dazu gehören Daten in Bezug auf Impfungen, elektronische Verschreibungen, Bilder, Laborergebnisse, Entlassungsberichte und mehr – und zwar über einen kostenlosen Zugangsdienst.

Die EU-Kommission hofft, dass diese Standardisierung das Recht der Patient:innen auf Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten in elektronischem Format stärken könnte.

Diese neuen Vorschriften werden sich auch auf bestehende Produktmärkte wie elektronische Gesundheitsakten, medizinische Softwareprodukte und Wellness-Apps auswirken.

Außerdem sollte jeder das Recht bekommen, den Zugang zu diesen Daten einzuschränken oder sie unentgeltlich an Dritte weiterzugeben. Der Rahmen für die europäische digitale Identität (EUid), ein Vorschlag zur Einrichtung eines EU-weit kompatiblen Online-Identifikationssystems, soll grenzüberschreitende Anwendungen ermöglichen.

Europäische Kommission will digitale Identitäten einführen

Die Europäische Kommission brachte am Donnerstag einen Gesetzesvorschlag für die Einführung europäischer digitaler Identitäten ein. Zahlreiche Dienste, wie die Öffnung eines Bankkontos oder die Einreichung einer Steuerklärung sollen so rein digital möglich werden.

„Sekundärnutzung“ für personalisierte Medikamente

Die Gesetzesvorschläge enthalten Bestimmungen über die Weiterverwendung von Gesundheitsdaten für die sogenannte „Sekundärnutzung“. Das bedeutet, dass es sich um Daten handelt, die für Gesundheitsdienste oder -aktivitäten erstellt und registriert wurden und für andere Zwecke verwendet werden können als den ursprünglichen Erhebungszweck.

Im Sinne der Verordnung umfasst die Sekundärnutzung Gesundheitsdaten, Sozialdaten, Verwaltungsdaten, genetische und genomische Daten, öffentliche Register, klinische Studien, Fragebögen zu Forschungszwecken und biomedizinische Daten wie Biobanken.

Nach Ansicht der Kommission kann die Nutzung von Sekundärdaten für eine bessere Forschung und eine bessere Politikgestaltung den innovativen Bereich der personalisierten Medizin erheblich fördern.

Die Sekundärdaten werden als Rohdaten verarbeitet, und die zusätzlichen Informationen, die durch die Verarbeitung der Daten gewonnen werden, werden im Zusammenhang mit Gesundheitsdienstleistungen verwendet.

Die Liste der zulässigen Verwendungszwecke umfasst die Information über Regulierungsentscheidungen, die Unterstützung von Behörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, die Bildung, die wissenschaftliche Forschung, die Entwicklung innovativer Lösungen für öffentliche Interessen und das Training von Algorithmen für medizinische Anwendungen.

Umgekehrt sind einige Verwendungszwecke ausdrücklich untersagt, wie zum Beispiel die Information über Entscheidungen gegen Einzelpersonen mit rechtlichen Auswirkungen, einschließlich Versicherungsprämien, kommerzielle Werbung und der Verkauf von Daten an Dritte.

Der Verordnungsentwurf enthält auch Bestimmungen zur Umsetzung des Datenaltruismus im Gesundheitssektor. Dieses Konzept wurde mit dem Daten-Governance-Gesetz eingeführt, um Einrichtungen einen Rechtsstatus zu verleihen, die personenbezogene Daten aus Gründen des öffentlichen Interesses verarbeiten (zum Beispiel in der medizinischen Forschung).

Daten-Governance: neues EU-Gesetz zur gemeinsamen Nutzung von Daten verabschiedet

Die EU-Mitgesetzgeber haben einen Mittelweg zum Daten-Governance Gesetz (DGA) gefunden, indem sie neue Regeln für die gemeinsame Nutzung von Daten angenommen haben, was den ersten Schritt der europäischen Datenstrategie darstellt.

Eine neuer Ansatz für Gesundheitsdaten

Die Kommission wird eine Expertengruppe, den Europäischen Rat für Digital- und Gesundheitsdaten, einrichten, um die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden zu gewährleisten, insbesondere in Bezug auf die primäre und sekundäre Nutzung von elektronischen Gesundheitsdaten.

Zwei Untergruppen werden sich mit Gesundheitsdaten für die Gesundheitsversorgung und mit der Anwendung von Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation, Politikgestaltung und Regulierung befassen.

Diese Einrichtungen werden die Anträge auf Zugang zu Sekundärdaten verwalten, die Menge der ausgetauschten Daten minimieren und die Daten gegebenenfalls anonymisieren oder aggregieren.

Der Rat wird die Kommission in Bezug auf entsprechende Anforderungen unterstützen und beraten sowie Leitlinien für die Kennzeichnung, Zertifizierung und Qualität von Daten entwickeln.

Interoperabilität und internationale Datenübermittlung

Ein weiterer wichtiger Bereich ist die grenzüberschreitende Interoperabilität von Gesundheitsdaten, wobei eine spezielle digitale Infrastruktur für den Austausch von Gesundheitsdaten zwischen Gesundheitsdienstleistern innerhalb der jeweiligen Länder geschaffen werden soll.

Die Interoperabilität mit elektronischen Patientendatensystemen könnte unnötige oder doppelte Tests reduzieren, da die Beschäftigten des Gesundheitswesens leicht auf die Krankengeschichte der Patienten zugreifen können. Dadurch könnten erhebliche Einsparungen für Patient:innen und das Gesundheitssystem erzielt werden.

Der Gesundheitsdatenraum spiegelt die Maßnahmen des Datengesetzes wider, insbesondere die Einführung von Grenzwerten für die internationale Übermittlung nicht-personenbezogener Gesundheitsdaten.

LEAK: Kommissionsvorschläge zum EU Data Act

Das Datengesetz definiert die Regeln für die gemeinsame Datennutzung, Bedingungen für den Zugang durch öffentliche Einrichtungen, internationale Datenübertragungen, Cloud-Switching und Interoperabilität, so ein Entwurf, der EURACTIV vorliegt.

Verbindliches Zertifizierungssystem und Infrastruktur für Gesundheitsdaten

Der Vorschlagsentwurf enthält spezifische Anforderungen an die Systeme für elektronische Gesundheitsakten, also die Software, die für die Speicherung und den Austausch von Gesundheitsdaten verwendet wird.

Der Anhang enthält eine Reihe von Anforderungen, darunter Interoperabilität und Sicherheit, und skizziert die technischen Voraussetzungen, die diese Systeme erfüllen müssen.

In Sachen Interoperabilität müssen die Systeme die Kompatibilität mit der europäischen Infrastruktur gewährleisten und den Austausch von Gesundheitsdaten mit anderen Fachleuten und Einrichtungen des Gesundheitswesens ermöglichen. Diese Anforderungen sollen durch bestehende technische Standards oder gemeinsame Spezifikationen, die von der Europäischen Kommission festgelegt werden, operationalisiert werden.

Die EU-Exekutive wird auch eine gemeinsame Infrastruktur namens MyHealth@EU einrichten, um den grenzüberschreitenden Austausch von elektronischen Gesundheitsdaten zwischen den von den Mitgliedstaaten benannten nationalen Kontaktstellen zu erleichtern.

Finanzierung: EU4Health, Horizon, Konjunkturprogramme

Das neu eingerichtete EU4Health-Programm und die Finanzierung der digitalen Gesundheit im Rahmen der Programme Horizon Europe und Digital Europe werden Investitionen in den europäischen Gesundheitsdatenraum unterstützen.

Insbesondere wird das EU4Health-Programm in diesem Jahr nicht nur die MyHealth@EU-Plattform unterstützen, sondern auch das Pilotprojekt zur Entwicklung der neuen dezentralen EU-Infrastruktur für die Sekundärnutzung von Daten.

Ein Teil der Mittel wird auch aus dem Wiederaufbaufonds der EU bereitgestellt. Insgesamt haben 22 Mitgliedstaaten in ihren Konjunkturprogrammen bereits Investitionen in Höhe von 12 Milliarden Euro für die digitale Gesundheit vorgesehen.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic]

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